Die Stunde des Adlers (Thriller)
und arbeitet etwas mehr«, hatte Hanns-Hermann seinen Schwager angepflaumt, dessen Stil als italienischer Lebemann er ohnehin nicht so besonders gut leiden konnte. Und Vangelos, sein griechischer Schwiegersohn, war ausgerechnet seinem erzkonservativen Schwager Silvio beigesprungen, als hätte sich bei seiner angeheirateten südländischen Verwandtschaft etwas aufgestaut. Vangelos Theodorakis entstammte einer der einflussreichsten griechischen Familien mit lupenreiner linker PASOK-Vergangenheit und enger Freundschaft zum Papandreou-Clan. Dass die Sippe in früheren Jahrhunderten als Schmuggler zu Geld gekommen war, hatte er einmal beim Googlen entdeckt. Da mussten sich zwei alte Handelsfamilien verbrüdert haben.
»Ich habe lediglich gesagt, dass wir Deutschen nicht für alle mitarbeiten können …«
»… worauf mein Bruder nur geantwortet hat, dass du wie diese Markigen redest.«
»Was eine Frechheit ist, Amore.« Von Hartenstein lief an seinem Schreibtisch auf und ab, immer so weit, wie das Kabel von dem unsäglichen Fon reichte, das für seinen Bewegungsdrang viel zu kurz war. Er kannte ja dieses italienische Blut seiner Frau, für die die familia über alles ging, aber dass sie nun ihre Familie über die eigene Familie von Hartenstein stellte, ging ihm eindeutig zu weit, auch wenn er Vangelos nicht als »Euroterroristen« hätte bezeichnen dürfen. Der hatte allerdings gesagt, er wolle am liebsten das Kanzleramt in die Luft jagen. In Athen gab es seit 2010 immer wieder Ausschreitungen und Hetze gegen die Deutschen.
»Du weißt, wie mein Bruder ist, Darling. Ich muss hier erst mal wieder alles kitten. Daran bist du schuld. Und diese Jagd ist so oder so nicht meine Sache.«
Von Hartenstein konnte sich vorstellen, wie Donna Veronica auf der Terrasse des Landhauses auf der der Lagunenstadt vorgelagerten kleinen Familieninsel saß, ihr nur ganz wenig nachgefärbtes, volles halblanges schwarzes Haar mit einer Hand durchkämmte. Das machte sie immer, wenn sie argumentierte. Ihr ganzer großer schlanker Körper bebte dann meist. Wenn sie die Hand dann in die Hüften drückte, schob sie in der Regel ihre Brüste vor, die immer noch klasse aussahen und nicht nachgearbeitet waren. Veronica de Borquese sah aus wie von Botticelli gemalt. Dafür liebte er sie so sehr, auch wenn das Temperament für seinen Geschmack hin und wieder etwas norddeutscher sein dürfte.
»Aber er muss ja nicht meinem Schwiegersohn beistehen und mir fast an die Gurgel gehen, oder?« Keine fünf Minuten nach dem Dolce-Vita-und-Terrorismus-Vorwurf hatte Hanns-Hermann von Hartenstein jedenfalls seinen Schwager am Hals, seinen Schwiegersohn blaffend am Ohr und seinen eigenen Schwiegervater Don Luca de Borquese vor sich aufgebaut. »Italien kann sich allein helfen«, hatte dieser ihm zugerufen, »wenn ihr Deutschen endlich mal die Vorteile des Euro an die anderen Länder weitergeben würdet.«
»Du hast doch keine Ahnung« hätte er da lieber nicht zu seinem Schwiegervater sagen sollen, denn spätestens jetzt hatte er seine Frau auch noch gegen sich.
»Wir sind Italiener.«
»Ja, und einen Griechen habe ich auch noch.« Nur gut, so dachte von Hartenstein, dass wenigstens sein Sohn mit einer Engländerin verheiratet war, mit der man sich nicht über den Euro streiten konnte. Dafür hatte die schon beim Abendessen berichtet, dass ihre Kinder auf dem Internat in Bath wegen ihres so deutschen Namens gehänselt wurden. Seiner Meinung nach schien seine ganze Familie von Engländern, Griechen und Italienern verrückt zu werden – außer ihm natürlich.
»Wann willst du denn kommen?« Wie gerne hätte von Hartenstein ihr erzählt, was er gerade alles versuchte, um genau solche Streitereien in ganz Europa zu verhindern, aber am Telefon ging das nicht. Man misstraute sich derzeit so sehr, dass jedes Land wieder jedes andere Land ausspionierte.
»Lass mich hier noch ein paar Dinge richten.«
»Was machen die Kinder?«
»Eleonore hat Vangelos wieder beruhigt, und Cindy macht sich eben Sorgen um ihre Kinder.«
»Das mache ich doch auch.«
»Wieso?«
»Nur so eine Redensart, Amore.«
»Alles okay, Darling?« Plötzlich wurde Veronica hellhörig.
»Und wie geht es deinem Vater und deinem Bruder?« Damit drehte Hanns-Hermann das Gespräch wieder.
»Da wirst du ein paar Versöhnungsgrappa trinken müssen.«
Schon beim Gedanken daran bekam von Hartenstein Kopfschmerzen, denn beide de Borquese waren ziemlich trinkfest. Außerdem hatte seine Kritik gar
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