Die Stunde des Adlers (Thriller)
würde er mitmachen.
»Was starren Sie so, Hutter. Ist doch nicht ungesetzlich, wenn ich Sie bitte da hinzugehen, oder?«
Hutter kam es so vor, als hätte von Hartenstein seine Gedanken gelesen, denn ganz unabhängig von Kuhn war ihm das ganze Euro- und Europa-Geschwafel oft wie das Geschwätz alter Männer vorgekommen. »Europa und den Frieden gibt es nicht umsonst, junger Mann. Ein paar Hundert Milliarden für die Rettung sind mir allemal lieber als nur ein einziger Toter.«
Von Hartenstein musste derweil wieder an seinen Schwiegersohn denken, dem er jederzeit zutraute, zum Euroterroristen zu werden. Ganz konnte er es ihm und den anderen Jungen nicht einmal verdenken, aber er hätte es in Venedig ja nicht unbedingt sagen müssen. Überall hatten die Regierungen ihre Völker schließlich mehr oder weniger verarscht, im Süden herrschte eine enorm hohe Arbeitslosigkeit, vor allem bei den Jugendlichen.
»Sorry, ich bin nur überrascht. So habe ich Sie noch nie reden hören, so undiplomatisch, Herr von Hartenstein.«
»Es ist auch Zeit für undiplomatische Winkelzüge hinter den Kulissen, Hutter.«
»Was soll das denn wieder heißen?«
»Hören Sie zu, Hutter.« Von Hartenstein kam um seinen Schreibtisch herum, baute sich vor Hutter auf. Sein iPhone hatte er wie fast immer in der Hand. »Ich möchte, dass Sie Ihr Ding nehmen«, dabei hielt er ihm sein Telefon fast unter die Nase, »zu der Asamblea gehen und alles mitschneiden. Ist doch öffentlich.«
»Chef!?«
»Muss ja keiner merken, Hutter, klar?«
»Und dann?«
»Dann geben Sie mir am Montag die Voice-Datei und am besten auch ein paar Bildmitschnitte.«
»Was wollen Sie denn damit?«
»Kann ich nicht sagen, also noch nicht.«
»Sie wollen doch, dass ich das mache.«
»Vertrauen Sie mir, Hutter.«
»Aber …«
In diesem Moment kam Frau Ladberg in von Hartensteins Büro. »Sie sollen zum Präsidenten kommen – jetzt.«
Von Hartenstein hob die Schultern, so als wollte er sagen, da könne man nichts machen. »Hutter, das ist eine Art Befehl. Wir sehen uns Montagmorgen.« Baron Hanns-Hermann von Hartenstein reichte seinem Assistenten förmlich die Hand.
»Zu Befehl, Herr Zentralbereichsleiter.« Es sah so aus, als wolle Hutter salutieren, aber da von Hartenstein die Hand festhielt, blieb es beim Gruß.
16.00 Uhr
»Im Büro des Bundeskanzlers?« Die vier Bundesbanker waren starr vor Ehrfurcht, als sie durch den Hintereingang ins Kanzleramt und von dort aus unbemerkt in die siebte Etage gebracht wurden. Eingeschüchtert und verängstigt waren sie so oder so. Erst im Büro von Bundeskanzler Franz Peter Roth sah Hanns-Hermann von Hartenstein seine vier Abteilungsleiter an diesem Tage das erste Mal. Nun rächte sich, dass die vier unabhängig vom Präsidenten und seinem Zentralbereichsleiter nach Berlin geflogen und von Kuhns Fahrerservice direkt in die Schaltstelle der Macht gebracht worden waren.
Dohm hatte wieder einmal einen seiner Privilegienfimmel an den Tag gelegt, mit von Hartenstein eine eigene kleine Maschine chartern lassen und sich dann von ihm briefen lassen, was in der Woche alles im Detail geschehen war. Zeitverzögerung, Formalienkampf, Konjunkturszenarien – das waren bislang die Themen gewesen. Dohm war nun bestens informiert – vor allem über die Verzögerungstaktik –, aber das war innerhalb kürzester Zeit Makulatur.
Roth hatte alle bis auf Dohm und von Hartenstein herzlich und jovial begrüßt, dann gönnerhaft einen Blick auf den Reichstag gewährt, mit einem »zwei wahre Europäer vor dem Euro« seinen Schreibtisch Adenauers und den Stuhl Brandts vorgeführt und schließlich an den großen Besprechungstisch gebeten. Neben den zehn Mitgliedern der Projektgruppe Operation D-Day saßen nun Dohm, Roth und zur Überraschung der Bundesbanker auch Regierungssprecher Ferdinand Jessen am Tisch. »Protokollant«, erklärte Kuhn nur lächelnd. Die strahlte hier im Kanzleramt für von Hartensteins Geschmack viel zu viel Selbstbewusstsein aus.
»Ich habe Sie alle hierher in das Büro des Bundeskanzlers gebeten, weil hier und heute die Entscheidung fällt. Sie haben ja alles vorbereitet.« Roth sprach ruhig, bestimmt und überzeugt, während Kuhn die Protokolle der Arbeitsgruppen austeilte; Dohm starrte von Hartenstein an, der in diesem Augenblick begriff, dass er in die Falle der schwarzen Pest getreten war. Er musste nicht mehr lesen, was nun kommen würde.
»Das kann doch nur, wenn überhaupt, der Bundessicherheitsrat und vor allem
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