Die Stunde des Adlers (Thriller)
so lachen, dass ihm aufgrund des Schüttelns seines Körpers eine Pommes von der Gabel zurück auf den Teller fiel, wodurch Ketchup auf seinen Anzug spritzte, was er nur mit einem »Oh« bedachte.
»Du könnest glatt bei der DMP anfangen.«
»Mir ist da gar nicht zum Scherzen zumute, Claus.«
»Mir doch auch nicht, mein Lieber.«
Beide lehnten mit den Armen auf dem Stehtisch, was dem deutlich größeren von Hartenstein leichter fiel, piksten in ihre Pommes und die Wurst und nippten am Bier.
»Erinnerst du dich an das Interview mit dieser Bellamie?«
»Klar, Tracy ist ‘ne alte Freundin.«
»Vielleicht hat sie recht und unsere Leute sind in bester Absicht reaktionär und wollen die D-Mark zurück?« Als er auf die D-Mark zu sprechen kam, senkte Dohm seine Lautstärke.
»Du meinst, wie meine vier Musketiere reagiert haben?«
»Nicht nur das. Sie haben in der ökonomischen Logik sogar recht.«
»Wir müssen uns von oben dagegenstemmen, Claus, koste es, was es wolle.«
»Diese Bellamie hat doch übrigens noch etwas anderes gesagt.«
»Sie hat vieles gesagt und gefragt. Ist ja Journalistin.« Von Hartenstein wischte sich mit der Papierserviette den Mund sauber.
»Sie hat gesagt«, und dabei stieß der ebenfalls mit seinem Essen fertige Dohm noch einmal mit seiner Flasche gegen das Bier seines Gegenübers, »sie hätte gehört, in Deutschland würde wieder Gold gehortet.«
»Das ist doch Quatsch, Claus, das ist doch nur ein Einzelfall.«
»Weil das Gold nur aus den Safes der Banken geholt und versteckt wird.«
»Claus, das glaubst du doch selbst nicht.«
»Doch, weil meine Frau unser Gold auch im Garten vergraben hat.« Dohm sprach ganz leise, und von Hartensteins Mund stand offen. »Und sie hat mir nicht nur geraten, zurückzutreten, sondern sie wollte auch, dass wir unser Gold nehmen und abhauen.«
»Das glaube ich nicht.« Nur mühsam fand von Hartenstein seine Stimme wieder.
»So wahr ich Claus Victor Dohm heiße und der Präsident der Deutschen Bundesbank bin.«
D-Day minus 9: Samstag
12.00 Uhr
»Ihr seid alle Spekulanten-Schweine.« Hutter war mittendrin dabei und skandierte mit der Masse, die sich – wie jeden Samstag zur Mittagszeit, wenn das Frankfurter Establishment zum Einkaufen in der City weilte – am Goetheplatz sammelte. Bei gutem Wetter wie heute waren es mehr als 1.000 Demonstranten, bei schlechtem weniger.
Von da aus ging es durch das überschaubare Mainhatten, das Frankfurter Bankenviertel in Richtung Willy-Brandt-Platz zur alten Europäischen Zentralbank. Zwar war das Camp mit dem Wechsel der EZB ins Ostend auch umgezogen, aber man demonstrierte lieber hier, damit das Lager nicht von den Tagesdemonstranten und Pennern durcheinandergebracht wurde.
Anfangs fühlte sich Hutter noch ein wenig fehl am Platze, doch je mehr er mitskandierte, die Plakate studierte, desto wohler fühlte er sich. Hatten sie vielleicht doch recht, die Demonstranten, überlegte der junge Bundesbanker, wenn sie schrieben und schrien: »Ihr spekuliert mit unserem Leben.« oder »Wir zahlen für eure Pleite«. Außerdem fand Hutter diese Melanie de Wager äußerst attraktiv. Groß, schlank und süße schwarze Haare mit einer supersexy Kurzhaarfrisur. Von Hartenstein hatte ihr Hutter als Gesprächspartner angekündigt.
Schon als er de Wager am Goetheplatz vereinbarungsgemäß getroffen hatte, hatte Hutter gemerkt, dass sie einer der Köpfe von Occupy in Frankfurt sein musste. Viele Leute hatten um sie herumgestanden, und Melanie hatte klug argumentiert. Sie studierte offiziell Politische Wissenschaften, war an der Sorbonne in Paris und John-Hopkins in den USA gewesen und »hätte jetzt eigentlich ihre Doktorarbeit schreiben sollen«, wie sie Hutter auf seine Frage antwortete, was sie sonst noch so machte.
»Momentan ist richtig.«
»Momentan ist gut.«
»Hey, du kennst Grönemeyer?«
»Komme aus Bochum. Die Texte waren Schulstoff.«
»Wow, ich auch.« Viel weiter kamen sie nicht, weil de Wager gleich wieder von jemandem vereinnahmt wurde und sie Hutter einfach hinter sich herwinkte. Der hielt sich die ganze Zeit in der Nähe der hübschen Melanie de Wager auf. Da blieb kein Gedanke an Anna-Maria Kuhn, die ihm im Vergleich zu dieser coolen Occupistin ziemlich alt vorkam. Und die Demo war auch cool.
Bei bestem Wetter zogen sie durch die Innenstadt, und da Melanie de Wager nicht vorne mitmarschierte, sondern eher mittendrin, konnte sich Bundesbankassessor Dr. Dominique Hutter gut in der Masse verstecken.
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