Die Stunde des Adlers (Thriller)
doch.«
»Und von Hartenstein? Was machen wir mit dem?«
»Was macht er denn?« Kuhn blieb wieder stehen und wandte sich um. Mr. Anonymus stand direkt vor ihr, er war ihr auf den Fersen gefolgt. Ein bisschen erschreckte sie der rüde Kerl doch.
»Alles in Ordnung. Ist die ganze Zeit allein zu Hause und arbeitet die meiste Zeit in der Bank. Wenn er unterwegs ist, sind wir bei ihm. Die Bundesbank ist tabu. Die haben ihre eigene unabhängige Sicherheit. Da kommen wir nicht rein.«
»Na, ich bin ja drin.«
»Stimmt.«
»Nichts Auffälliges mit diesem von Hartenstein?«
»Scheint nur schon mal die D-Mark-Rückkehr zu testen.«
»Was?«
»Beim Italiener, mit einem Türken, in der Pommesbude, selbst im Occupy-Camp schien er immer mit D-Mark zahlen zu wollen. Hat immer ’nen Packen Zehner, Zwanziger bis Hunderter dabei.«
»Wieso sagen Sie mir das erst jetzt?« Selbst im Dunkel der Nacht war ein Aufblitzen in den rehbraunen Augen zu erkennen.
»Hören Sie, ich soll beobachten. Ich kann schlecht ins Taxi rein oder ins Camp. Wir beobachten ihn aus der Ferne, wie gewünscht. War gefährlich genug, einen meiner Leute zum Italiener zu setzen.«
»Ist ja gut, aber ich wüsste gerne, was das soll. Das ist doch nicht normal.«
»Was ist denn schon normal in diesen Zeiten?«
»Trotzdem, das ist nicht sein Stil. Von Hartenstein provoziert subtiler.«
»Er schaut vielleicht, was das Volk will.«
»Der und das Volk?« Kuhn musste lachen. Dann drehte sie sich erneut um, um endgültig zu gehen, schließlich brauchte sie noch etwas Schlaf.
»Versuchen Sie herauszubekommen, was er da macht. Und kümmern Sie sich um Hutter!«
Mr. Anonymus tippte »GO« in sein iPhone.
6.00 Uhr
Als Hutter in Freizeitkleidung das bewachte Tor zum Gelände der Bundesbank auf seinem Fahrrad passierte, staunte der Wachmann nicht schlecht. An Freitagen kamen zwar immer mal wieder Bundesbanker »casual«, aber an einem Montagmorgen und dann auch noch in aller Herrgottsfrühe! Der Wachmann schüttelte jedenfalls den Kopf, nachdem er genau geschaut hatte, ob es auch wirklich Hutter war, der da kam.
Von Hartenstein wartete schon auf seinen Assistenten, was dieser gedanklich eindeutig der senilen Bettflucht zuordnete, auch wenn sein Chef jünger aussah als seine 58 Jahre.
»Danke, Hutter, kommen Sie hier herum.« Mit einer Armbewegung forderte von Hartenstein ihn auf, sich hinter ihn an den Besprechungstisch zu stellen.
»Was ist denn das für ein Mac?«
»Mein privater.«
»Aha.«
»Hutter, sehen Sie sich das mal an.« Der Reihe nach klickte von Hartenstein mehrere Fenster auf, in jedem lief ein Film: Irgendjemand verbuddelte etwas im Garten, etwas verwackelte Aufnahmen in kreisrunder Drehung zeigten eine Landschaft, Hutter erkannte den Italiener von »Da Fredo«, ein flott kutschierender Taxifahrer war zu sehen, ebenso eine Diskussion an einer Pommesbude, ein Mann, der von Hartenstein ähnlich sah, gestikulierte in einem weiteren Fenster. Und in der Mitte redete Anna-Maria Kuhn offensichtlich grimmig auf jemanden ein. Zwei Fenster waren noch frei.
»Was ist das?«
»Das wird ein Film.«
»Was für ein Film denn?« Hutter dämmerte, warum ihn von Hartenstein zum Filmen ins Camp der Occupisten geschickt hatte.
» Operation D-Day. Der Tag, der Deutschlands Untergang besiegelt. «
»Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«
»Mein voller, Dominique.« Von Hartenstein stand auf, klopfte ihm dabei auf die Schulter. So hatte von Hartenstein ihn noch nie angesprochen oder angefasst.
»Für wen soll der sein?«
»Mal sehen. Um mit Frau Kuhns Worten zu sprechen: für das Volk.«
»Unglaublich.«
»Aber wahr. Dominique, ich vertraue Ihnen. Ich bekomme das nicht zusammengeschnitten. Können Sie das machen?«
»Nur zusammenschneiden?«
»Plus Musik, Moll-Töne. Ein bisschen Text aus den Zeitungstiteln.« Von Hartenstein zeigte auf einen Stapel auf seinem Schreibtisch. Spiegel , FAZ , Welt , Handelsblatt , Wirtschaftswoche und sogar Euro hatten irgendwann die D-Mark auf dem Titel gehabt.
»Ist nicht trivial, Chef, ich meine technisch.«
»Wir können das mit niemandem besprechen. Bitte!«
»Okay.« Hutter fühlte sich sehr unwohl, denn das war nun genau so etwas, was Anna-Maria Kuhn von ihm würde wissen wollen. Bis Samstagmittag hätte er es ihr vielleicht sogar sagt, aber auch nur vielleicht. Jetzt sicher nicht mehr.
»Was ist?«
»Nichts.« Irgendwann würde er von Hartenstein sagen müssen, dass er letzte Woche Protokolle vorab an seine alte
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