Die Stunde des Adlers (Thriller)
wie sie süffisant in Richtung Außenminister bemerkte, dass man nicht austreten, sondern mit der D-Mark ein paralleles Angebot als zusätzliche Währung machen würde.
Ausgerechnet der Innenminister sorgte sich um die deutsche Exportindustrie, weil die drohende Rezession für Unruhe im Land sorgen könnte. Kuhn brauchte da gar nicht einspringen, weil der zuständige Wirtschaftsminister seinen Kollegen mit einem »Unruhe haben wir ja wohl bereits jetzt genug, Herr Kollege« anherrschte. Und natürlich musste auch Kuhns formaler Chef, Finanzminister Brunnenmacher, seine Negativtirade loslassen: 28 Prozent der Zig-Milliarden-Garantien entfielen auf Deutschland. Banken stünden fast durchgehend vor der Verstaatlichung, weil ihnen das Kapital für die Neubewertungen fehlen würde, und vor allem die deutschen Lebensversicherungen stünden vor riesigen Problemen, weil sie so viel in europäische Staatsanleihen investiert hätten.
Roth selbst nahm sich Brunnenmacher vor: Ein souveräner Staat könnte Garantien auch aussetzen, wenn die anderen nicht kooperativ wären. Was wäre schlecht an verstaatlichten Banken, fragte er in die Runde, nicht ohne den Hinweis auf die wachsende Diskrepanz zwischen Banken und Wirtschaft. »Und für die Lebensversicherungen finden wir eine Ausfalllösung, weil wir uns ja nicht mehr im selben Maße in Europa verpflichten müssen.« Fast wortwörtlich hatte Roth Kuhns Argumente gegen deren eigenen Chef verwandt.
Als Brunnenmacher trotzdem noch einmal ansetzen wollte, platzte Roth fast der Kragen:
»Stimmen wir ab. Lange genug diskutiert. Die Zeit ist reif für unser Land. Deutschland will die D-Mark zurück, meine Herren.«
Genau für diesen Moment hatte Kuhn mit Roth immer wieder geübt. Der Bundeskanzler stand auf, ging rechtsherum zum Justizminister, der sinnigerweise Mark hieß, legte seine Hand auf dessen Schulter und fragte: »Herr Bundesminister der Justiz?«
Sitzend waren alle natürlich kleiner als der ansonsten nicht besonders große Bundeskanzler, man konnte Minister Mark förmlich ansehen, dass er sich erdrückt fühlte: »Es ist rechtlich möglich. Dann also Ja!«
Kuhn atmete leise, aber tief durch. Die erste Stimme war entscheidend für die weitere Abstimmung.
»Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit?« Auch ihm legte Roth die Hand auf die Schulter.
»Dafür.«
Zwei zu null, zählte Kuhn mit den Fingern unter dem Tisch mit.
»Herr Bundesminister für Wirtschaft?«
»Dafür.«
Drei zu null. Das war wichtig. Kuhn atmete durch, da der Mann letzte Woche noch ziemlich sperrig gewesen war.
»Herr Bundesminister der Verteidigung?«
»Dagegen.«
Das war kein Rückschlag, damit hatte Kuhn gerechnet und hob den Daumen der anderen Hand. Nur noch drei zu eins.
»Herr Bundesminister des Inneren?«
»Bei aller Abwägung – dagegen. Ohne Parlamentsbeschluss geht das nicht.«
Roth, der jedem Minister weiter die Hand auf die Schuler legte, drückte den Minister in den Schultermuskel. »Wir wollen nicht diskutieren, Baum. Nur abstimmen.« Jedenfalls stand es nur noch drei zu zwei. Kuhns Hände zitterten, weil Ostermüller, der direkt neben ihr saß, mit Sicherheit dagegen sein würde. Roth passierte Kuhn, die nicht mitstimmen durfte. Sie zählte schon drei zu drei Finger, ehe Roth Ostermüllers Antwort erhielt.
»Dagegen, aus außenpolitischen Erwägungen.«
Gott sei Dank war nun Kanzleramtsminister Kellermann an der Reihe.
»Herr Bundesminister für besondere Aufgaben im Bundeskanzleramt?« Roth tippte ihm nur leicht mit den Fingern auf die Schulter.
»Dafür, selbstverständlich.«
Vier zu drei, das würde mit Roths Stimme reichen, auch ohne Kuhns eigentlichen Chef Brunnenmacher, der als Letzter an der Reihe war.
»Herr Bundesminister der Finanzen. Sie sind sicher dagegen, oder?«
»Nur abstimmen, nicht diskutieren, Herr Bundeskanzler.«
»Ihre Antwort, Brunnenmacher!« Roth wurde ungehalten.
»Dafür! Für das Land! 20 Prozent sind in Ordnung.« Dabei blitzte er seine Staatssekretärin an. Mit dieser Stimme hatte er sich wohl auf längere Zeit seinen Posten gesichert.
»Oh.« Roth schaute überrascht zu Kuhn, ehe er sich wieder setzte. Was für ein mieser Opportunist, dachte Kuhn, die sich in diesem Moment noch einmal selbst zu dem Vorschlag beglückwünschte, Brunnenmacher empfohlen zu haben. Standfeste Finanzminister wie ehedem Schäuble oder Steinbrück wären in dieser Diskussion ein echtes Problem geworden.
»Damit steht es fünf zu drei.
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