Die Stunde des Adlers (Thriller)
Fragen stellen, damit die Fondsmanager ihre Wetten richtig kalkulieren konnten. »Aber das könnten wir einpreisen.« Fast sprach er mit sich selbst, als er langsam weitertrabte.
»Halt.« Wieder hörte man den Kies knirschen, als er sich noch einmal umdrehte.
»Was ist mit Hutter?«
»Erledigt. Teil des Deals, Madame.« Dann verschwand er endgültig. Kuhn sah dem Läufer noch hinterher, bis er am Ende der Geraden abbog. Kurz musste sie an Hutter denken, der es noch nie verstanden hatte, aus seinem Wissensvorsprung einen Vorteil für sich zu ziehen. Erst als Mr. Anonymus weg war, kehrte sie um, lief Richtung Kanzleramt und dachte an ihre 50 Millionen, die sie für ihre Informationen erhalten würde. Sicher angelegt auf den Cayman Islands, in Dollar. Diese Währung erschien ihr zuverlässiger als Euro oder Mark und für eine Wohlstandsegomanin die passende Entschädigung für ihre Arbeit, die sie ja angeblich nur für Deutschland leistete.
D-Day minus 5: Mittwoch
16.00 Uhr
Frau Ladberg hatte ihr schönstes Lächeln aufgesetzt. Irgendwann hatte seine Sekretärin sein iPhone entwendet und ein Foto von sich geschossen, das sie der Büronummer im Speicher zugeordnet hatte. Immer wenn seitdem das Office klingelte, erschien die lachende Frau Ladberg im Display von Hanns-Hermann von Hartensteins iPhone. Anlässlich eines Abendessens zu Ehren ihres 25-jährigen Dienstjubiläums hatte er ihr vor Publikum gebeichtet, dass fast alle Sherpas der europäischen Notenbankpräsidenten sie deshalb nur your working girl nannten. Natürlich hatte von Hartenstein gleich hinzugefügt, dass sie selbstverständlich viel besser als Melanie Griffith im gleichnamigen Film aussah.
Ihr war dann spontan herausgerutscht, dass sie ihn ja auch nicht verführen wollte, weil er leider nicht so gut aussah wie Harrison Ford. Damit hatte Frau Ladberg die Lacher auf ihrer Seite gehabt, einschließlich eines grölenden Präsidenten Dohm. Der hatte es sich nicht nehmen lassen, »zum Jubiläum einer sehr attraktiven Institution der Bundesbank« selbst beim Dinner zu erscheinen. Thea Ladberg kannte Dohm und von Hartenstein noch aus der Zeit, als sie beide junge Abteilungsleiter in der Hierarchie der Deutschen Bundesbank gewesen waren. Vielleicht würde sie in einem solchen Moment sogar sagen, aus der guten alten Zeit.
»Was gibt es so Dringendes?« Da Frau Ladberg wusste, dass er zur Sitzung der Projektgruppe schon wieder spät dran war, würde sie ihn nur stören, wenn es wirklich absolut notwendig war.
»Mrs. Bellamie will Sie sprechen, Herr von Hartenstein.«
Verdutzt stoppte er kurz vor dem Gästehaus und winkte Dohms Fahrer zu, der gerade ohne den Präsidenten vom Gelände fuhr. »Hat das nicht Zeit?«
»Ich glaube nicht.«
»Glauben? Was glauben Sie, Frau Ladberg, was ich zu tun habe?« Sie wusste, dass Triple H in diesen Tagen nicht zu Scherzen oder Ungenauigkeiten aufgelegt war.
»Entschuldigung, aber ich glaube wirklich, dass das keinen Aufschub verträgt.« Frau Ladberg mochte den unter normalen Umständen sehr höflichen von Hartenstein, ließ sich in den anderen wenigen Momenten aber auch nichts gefallen.
»Was will sie denn?«
»Sie hört Gerüchte aus London, dass in den Bundesdruckereien nachts wie wild gedruckt wird, und fragt, ob das neue D-Mark-Scheine seien. Ansonsten würde sie spekulieren, dass die Wiedereinführung der D-Mark kurz bevorstünde. Ihre Deadline ist in einer halben Stunde. Glauben Sie mir die Dringlichkeit jetzt?«
»Tut mir leid, Frau Ladberg. Stellen Sie durch.« Auf lange Entschuldigungen hatte von Hartenstein jetzt keine Lust, und ihm fehlte mit Blick auf die Uhr auch die Zeit dafür.
»Hi Tracy, was gibt es?« Er musste nun natürlich ruhig bleiben und ihr vorgaukeln, dass er alle Zeit der Welt hatte.
»Triple H, sorry, ich setze dich nicht gerne unter Druck, aber …«
»Tracy, ich habe keinen Druck, zumindest keinen Zeitdruck. Würde ich sonst mit dir sprechen?«
»Aber ich, mein Lieber, Deadline in 30 Minuten.«
»Okay, was kann ich für dich tun?«
»Ich brauche deine Erklärung. Ich habe hier auf meinem Schirm einen Videomitschnitt, der zeigt, wie nächtelang in der Bundesdruckerei in Berlin die Druckmaschinen laufen.«
»Aha.« Das war von Hartenstein wirklich neu, da musste er nicht einmal überrascht tun.
»Sind das vielleicht neue D-Mark-Scheine?«
»Nein.«
»Wieso so kategorisch Nein? Was soll das in dieser Zeit denn sonst sein?« Tracys Stimme vermittelte, dass sie etwas ungehalten
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