Die Stunde des Adlers (Thriller)
Hedge.« Im Aufstehen beugte er sich zu ihr, als wollte er Kuhn küssen. Doch er hauchte ihr nur ins Ohr: »Denken Sie immer daran.«
18.00 Uhr
An Bundeskanzler Roth hatte sie die letzte halbe Stunde gar nicht gedacht, bis sie die vielen verpassten Anrufe auf ihrem Handy sah. Sie hatte ihren Fahrer ein paar Straßen entfernt parken lassen und war ohne Begleitung und ohne ortungsfähiges Handy gelaufen. Der Fahrer war schweißgebadet gewesen, nachdem er den Bundeskanzler höchstpersönlich am Telefon hatte fluchen hören. Dafür konnte er sich jetzt etwas abkühlen, da Kuhn ihn aus dem Auto geschickt hatte, um vertraulich mit dem Kanzler sprechen zu können.
Roth hatte Kuhn nämlich sofort sprechen wollen, nachdem es mit dem französischen Staatspräsidenten Émile Dévrent zum Eklat im Kanzleramt gekommen war. Wutschnaubend hatte der Franzose nach der brüsken Abfuhr durch den Bundeskanzler das Spitzentreffen verlassen. Roth hatte sich geweigert, weitere geldliche Zusagen zu machen. Finanziell standen die Euroländer damit vor dem Aus. Angeblich sollte der Franzose bei seinem überstürzten Abgang »Erbfeind« gemurmelt haben, wie die Agenturen kolportierten.
Deren Meldungen blinkten tiefrot auf Kuhns Blackberry. Als Kuhn den Kanzler zurückrief, wurde sie innerhalb einer Stunde zum zweiten Mal gemaßregelt, was sie nochmals darin bestätigte, sich finanziell von allen diesen männlichen Idioten unabhängig zu machen. Nicht etwa, dass Roth zugeben wollte, nicht gerade diplomatisch mit dem Franzosen umgegangen zu sein. Er warf ihr vor, es wäre ihr Briefing gewesen. Sie musste sich auch noch etwas einfallen lassen, um den deutschen Kanzler und den französischen Präsident ruhigzustellen.
»Lass Jessen einseitig ankündigen, du führest am kommenden Montag zur Aussöhnung nach Paris.« Kuhn musste an die fast philosophischen Ausführungen zur Beruhigung der Unsicherheit ihres Freundes denken.
»Dann haben wir doch eine andere Lage?«
»Genau, aber dann brauchst du auch nicht mehr nach Paris.« Sie schlug sich vor den Kopf, ehe sie ihren Fahrer wieder ins Auto bat, um sie zurück zur Bundesbank zu fahren. Eine dritte Maßregelung würde es heute jedenfalls nicht mehr geben. Denn von Hartenstein lag bewusstlos in einem Kofferraum auf dem Weg zum Atombunker in der tiefsten deutschen Wildnis, wo die Milliarden an neuer D-Mark versteckt waren. Den Weg kannten nicht viele, aber am Steuer saß niemand anderes als Dr. Dietmar Klein, der Logistiker der Bundesbank mit jederzeit freiem Zugang zum Bunker im Wald.
21.00 Uhr
Verärgert warf Veronica de Borquese ihr iPhone auf den Tisch. Seit einer Stunde versuchte sie, ihren Gatten ans Telefon zu bekommen. Nachdem sie es fünfmal auf dem Handy versucht hatte, hatte sie entnervt aufgegeben. Gestern hatte er sich, wie verabredet, gegen 20 Uhr bei ihr gemeldet und ebendies auch für heute angekündigt. Normalerweise war sie nicht besorgt um ihren Mann, doch seit Wochen war die Stimmung mies, interfamiliär wie international. Also versuchte sie es sinnloserweise um diese Zeit im Büro. Zu Hause ging auch kein Hanns-Hermann ans Telefon. Vielleicht bei Alfredo? Schließlich konnte ihr Gatte ja nicht kochen. Veronica musste nicht lange im Telefonspeicher suchen, Alfredo stand gleich unter A. Nur war er gerade nicht greifbar, wie ihr Francesca beschied. Die konnte nicht ahnen, dass er sich um den versteckten Hutter kümmerte. Und nein, ihr Mann wäre heute Abend auch noch nicht da gewesen.
Veronica klackerte mit den Fingernägeln auf die Tischplatte, versuchte es derweil ein sechstes Mal auf Amores Handy. Fehlanzeige. Blieb nur noch der von ihr ungeliebte Präsident. Im Telefonspeicher hatte Hanns-Hermann seiner Frau für besondere Fälle die Geheimnummer der Präsidentenvilla abgespeichert. Dieser Notfall schien der Italienerin jetzt eindeutig gekommen zu sein.
»Dohm.« Erst beim sechsten Mal nahm jemand den Hörer ab.
»Simone?«
»Wer ist da?«
»Ich bin es, Veronica.«
»Veronica? Woher hast du denn diese Nummer? Ich wollte erst gar nicht drangehen.« Simone Dohm runzelte verärgert die Stirn.
»Simone, wo ist Claus? Ich brauche ihn dringend.«
»Der ist nicht da. Irgendein Empfang.« Da Dohm business as usual vorgegeben hatte, hatte er nur ganz wenige Termine abgesagt. Alles sollte möglichst normal wirken.
»Hör mal, Simone, ich suche Hanns-Hermann.« Aufgelöst hörte sich die Stimme an, und wenn Simone Dohm das verzweifelte Gesicht der Contessa gesehen hätte,
Weitere Kostenlose Bücher