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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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Statue des heiligen Antonius vorbei zu einer kleinen Bar hinter der Tankstelle. Er trat ein, kaufte eine Marke vom Kassierer und rief die Nummer 673 an. Eine Weile hört er das aufdringliche Klingeln, das dem italienischen Telephon eigen ist. Dann knackte es im Hörer, und eine männliche Stimme meldete sich:
    »Pronto! Villa Orgagna.«
    Ashley hängte ab und trat aus der Bar ins Freie. Die Hitze strahlte vom Pflaster und von den Hauswänden zurück – und doch schauerte er zusammen, wie ein Mann, der einen Blick in sein eigenes Grab geworfen hat.
    Als Richard Ashley in das Hotel zurückkam, stand der blaue Wagen des Fürsten Orgagna vor dem Portal. Hinter ihm luden Hausdiener unter Aufsicht eines livrierten Chauffeurs das Gepäck in einen kleinen Lieferwagen. Der Hoteldirektor verabschiedete sich gerade mit großer Herzlichkeit von Rossana und Orgagna, während sich Elena Carrese und der junge Tullio Riccioli leise miteinander unterhielten.
    Als Ashley zu ihnen trat, begrüßten sie ihn mit angestrengtem Lächeln, das ihnen die Höflichkeit abnötigte. Sein Auftauchen verkürzte die Abschiedszeremonie. Schon zwei Minuten später stiegen sie ins Auto, Rossana und Orgagna vorn, Tullio und Ashley hinten, das Mädchen zwischen sich.
    Orgagna steuerte den Wagen von der Auffahrt hinunter durch die schmalen Straßen Sorrent, hinaus nach Westen, auf die Landspitze der Halbinsel zu.
    Die Windschutzscheibe war umgelegt, und der Fahrtwind zerzauste ihr Haar, doch die grauen Oliven hingen bewegungslos in der Hitze, und der schrille Chor der Zikaden übertönte das Brummen des Motors und das Singen der Reifen. Die Sonne blendete ihre Augen, und das blaue Meer hob sich phantastisch vom Grau der steilen Klippen ab. Zu ihrer Linken kletterten die Hügel steil zum Grat des Bergzuges hinauf, den die Oliven- und Orangenbäume erklommen wie eine Armee graugrüner Soldaten. Zur Rechten fiel das Land in Terrassen zum Rand der Klippen ab. Bäume waren selten. Hier und da sah man Bauerngärten mit Krautköpfen, Zwiebeln und Rosenkohl.
    Dicke Frauen machten sich darin zu schaffen. Barfüßige Jungen und in malerische Fetzen gehüllte Mädchen winkten und schrien, als der große Wagen vorüberfuhr. Eselskarren trödelten am Straßenrand entlang, und gelegentlich überholten sie eine Kutsche mit Touristen.
    Orgagna war ausgesprochen gut gelaunt. Er fuhr schnell und sicher. Im Rückspiegel sah man sein Lächeln, während er die Landschaft erklärte und kleine Scherze über lokale Merkwürdigkeiten zum besten gab. Er war offensichtlich um Liebenswürdigkeit bemüht, und alle wurden unter seinem Einfluß lockerer – ausgenommen Elena Carrese, die steif und unbeeindruckt zwischen Tullio und Ashley saß.
    Schließlich erreichten sie eine enge, kopfsteingepflasterte Abzweigung. Orgagna lenkte den Wagen hinein, und sie fuhren eine lange, gewundene, von Olivenbäumen gesäumte Allee hinunter zu einem riesigen eisernen Flügeltor, das eine hohe Steinmauer unterbrach. Als der Wagen hielt, erkannte Ashley das Wappen des Hauses Orgagna.
    Der Herzog hupte, und ein alter, verwitterter Bursche mit wirrem Haar und zerfurchtem Gesicht kam angelaufen, um das Tor zu öffnen. Mit einem Segensspruch auf den Lippen beugte er sich über Orgagnas Hand und küßte sie. Orgagna strich ihm über den Kopf und erwiderte lächelnd seine Segenswünsche. Dann fuhr er langsam die Auffahrt zur Villa hinauf.
    Der erste Anblick verblüffte Ashley. Aus irgendeinem Grund hatte er erwartet, einen dieser weißen, würfelförmigen Kästen mit maurischen Bögen zu sehen. Er hatte sich einen Sommersitz mit bunten Fensterläden, gestreiften Markisen und grellfarbigen Sonnenschirmen auf den Terrassen vorgestellt. Statt dessen sah er vor sich einen dreistöckigen Riesenbau in wundervollem Barock. Mit geschwungenen Balkonen und gewaltigen geschnitzten Türen. Mit einer weitläufigen Terrasse, unter der sorgfältig gepflegte Rasenflächen sich bis zum Rand riesiger Orangen- und Olivenhaine hinzogen. Uralte Pinien überragten das Dach, und gefiederte Palmen warfen ihre Schatten auf die Wege. Die Blumenbeete sprühten von Farben, und weit unten sah man das strahlendblaue Mittelmeer.
    Als der Wagen hielt, öffnete sich eine der großen geschnitzten Türen, und ein hochgewachsener grauhaariger Alter in der Livree eines Majordomo trat heraus, um sie zu begrüßen. Hinter ihm sah Ashley ein Dutzend Bedienstete in der Halle Spalier bilden. Es war ein königliches Willkommen für Seine Hoheit,

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