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Die Stunde des Fremden

Titel: Die Stunde des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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übrigens sehr viel für sich hat: Er verprügelte seine Frau und vergab ihr sodann. Später prügelte er sie in gewissen Abständen, um sie an ihren Fehltritt zu erinnern. Das Kind wurde einer Amme in Sant' Agata in Pflege gegeben und später adoptiert. Dann kam Elena zur Welt, und eines Tages machte ihre Mutter sie mit ihrem Halbbruder bekannt. Wie es bei Kindern so geht, faßte Elena rasch Zuneigung zu ihm, und trotz Carlos Widerstand pflegte der Junge hierher zu kommen, um mit seiner Schwester zu spielen. Die Mutter starb früh. Ich – ich bezahlte seine Ausbildung. Ich mochte ihn niemals leiden, doch ließ ich ihn Elenas wegen ruhig gelegentlich hierher kommen. Carlo hasste ihn selbstverständlich. Aber …« – Orgagna hob die Schultern und verzog den Mund – »… weil er ein guter Diener ist, beugte er sich den Wünschen seines Herrn.«
    »Hat er Garofano deswegen umgebracht?«
    Orgagna sah ihn lange an und schüttelte schließlich den Kopf.
    »Ich habe nicht gesagt, daß Carlo in umbrachte. Sie haben das gesagt. Ich habe Ihnen diese Information aus einem sehr einfachen Grund gegeben.«
    »Und der wäre?«
    »Um Ihnen zu erklären, daß Carlo Carrese praktisch ein Mitglied meiner Familie ist. Was ihn angeht, geht mich an. Er ist ein alter Mann, Ashley. Die Bürde der Jahre lastet schwer auf ihm, und meine Familie ist immer noch in seiner Schuld. Nur dadurch, daß ich ihn schütze und ihm ein geruhsames Alter sichere, kann ich diese Schuld abtragen. Und ich werde das tun, selbst wenn …« Er brach ab, und die unausgesprochene Drohung hing zwischen ihnen wie ein Schwert.
    »Sagen Sie es nur, Orgagna!«
    Orgagna schüttelte den Kopf.
    »Nein, mein Freund, nein. Es würde zu sehr wie eine Drohung klingen, und gerade heute abend muß ich diesen Eindruck um jeden Preis vermeiden. Ich bin der Angeklagte. Es geht um meine Verteidigung. Diese … diese Geschichte von Carrese und dem Sohn seiner Frau hat nichts damit zu tun. Wir können uns später darüber unterhalten.«
    Es war so meisterhaft gemacht, daß es Ashley beinahe entging. Es fehlte nicht viel, und Orgagna hätte ihn mit seinem Gerede eingewickelt. Er hatte ihm mit Sympathie geschmeichelt und ihn mit seinem Wortschwall beinahe verführt. Jetzt erklärte er, was er zu bieten hatte: »Sie haben die Photokopien und die Möglichkeit, sie zu veröffentlichen. In meiner Hand liegt es, Sie des Mordes überführen zu lassen. Eines Mordes, den ich geplant, und den ein anderer ausgeführt hat. Ich denke, wir sind so gut wie quitt. Nun lassen Sie uns sehen, ob wir zu einer Einigung gelangen können, die Ihr Gewissen befriedigt und Ihnen außerdem noch einen Profit einbringt …«
    Ashley dachte an George Harlequins Warnung und wartete einigermaßen beunruhigt, während Seine Hoheit fortfuhr, sich zu erklären. Er tat es mit Würde und überraschendem Nachdruck.
    »Ich bin stark. Ich habe politische Erfahrung. Ich habe Macht und Einfluß. Wenn man mir die Chance gibt, kann ich dieses Land für mindestens fünf Jahre einigen – lange genug, um die Grundlage der öffentlichen Ordnung zu stärken und die Räder des Fortschritts in Bewegung zu setzen. Ohne mich würde die schwächliche Allianz der Parteien von links und rechts zusammenbrechen, und wir würden in Uneinigkeit und wirtschaftliches Chaos zurücksinken. Es ist seltsam, höchst seltsam, daß ein Mann wie Sie die Macht in Händen hält, Einigkeit zu schaffen oder zu zerstören. Ein Mann wie Sie, ein bloßer Zuschauer, der über nichts weiter verfügt als ein Monatsgehalt, und den in diesem Land nichts weiter interessiert als die Frau eines anderen.«
    Ashley errötete vor Zorn. Jetzt kämpfte Orgagna wirklich. Orgagna änderte seine Taktik, seine Stimme wurde leiser. Voller Sympathie und nicht ohne Pathos fragte er:
    »Was wollen Sie eigentlich, Ashley? Was treibt Sie? Was läßt Sie nur so verzweifelt darauf bestehen, eine Geschichte zu veröffentlichen, die schon in drei Wochen vergessen sein wird und in der Gunst des Publikums der Hochzeit eines Filmstars oder einem amerikanischen Flugzeugunglück Platz gemacht wird? Was gewinnen Sie dabei, das auch nur annähernd dem Unheil entsprechen würde, das Sie damit anrichten? Ist es Geld? Ich bezweifle es. Ist es die Befriedigung Ihrer Eitelkeit? Oder Ihres Willens zur Macht? Ist es der blinde Eifer des Kreuzfahrers? Glauben Sie mir, ich möchte es wirklich gern verstehen.«
    Ashley sah auf und fragte: »Jetzt rufen Sie also mich in den

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