Die Stunde des Jägers - EXOCET
ihn nun ebenfalls bemerkt und war sich sofort einer sonderbaren, irrationalen Erregung bewußt, die sie veranlaßte, sich schnell abzuwenden, als suche sie jemanden anderen.
Sie wurde von einem jungen argentinischen Hauptmann angesprochen, der offensichtlich schon zuviel getrunken hatte. Montera ließ ihm genug Zeit, ihr lästig zu werden, und ging dann durch Gruppen anderer Gäste zu ihnen.
»Das sind Sie ja, mon amie«, sagte er in ausgezeichnetem Französisch. »Ich habe Sie überall gesucht!«
Sie schaltete schnell. Sie drehte sich zu ihm, berührte seine Schulter und küßte ihn auf die Wange. »Ich dachte schon, ich hätte mich im Abend geirrt.«
»Zu Befehl, Herr Oberst.« Der Hauptmann zog sich verdrossen zurück. Montera sah Gabrielle schelmisch an, und sie mußten beide lachen.
Er nahm ihre Hände und hielt sie leicht in seinen. »Ich nehme an, solche Situationen sind Ihnen nicht neu?«
»Ich bin daran gewöhnt, seit ich vierzehn war.«
In die grünen Augen trat ein Schatten. Er sagte: »Was Sie nicht gerade für die Angehörigen meines Geschlechts eingenommen haben dürfte?«
»Wenn Sie damit fragen wollen, ob ich Männer mag… Nein, eigentlich nicht sehr.« Sie lächelte. »Das heißt, im allgemeinen nicht.«
Er musterte ihre Hände. »Oh, sehr gut.«
»Was ist denn?« Sie war verwirrt.
»Kein Ehering.«
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Er richtete sich auf und nahm Haltung an. »Oberst Raul Carlos Montera, stets zu Ihren Diensten, mein Fräulein, und es wäre nicht nur eine Freude, sondern auch ein großes Privileg für mich, wenn Sie mir diesen und alle anderen Tänze des Abends reservierten.«
Er nahm ihre Hand und führte sie zur Tanzfläche, während das Trio in langsamem Foxtrottempo »Our Love is Here to Stay« zu spielen begann.
»Wie passend«, sagte er leise und zog sie an sich.
Und darauf gab es nichts zu antworten. Sie tanzten sehr gut miteinander, und sein Arm ruhte federleicht an ihrer Taille.
Sie berührte die Narbe auf seiner Wange. »Woher kommt das?«
»Granatsplitter«, sagte er. »Luftgefecht.«
Sie beherrschte ihre Rolle. »Wo denn? Solange ich lebe, hat Argentinien keinen Krieg mehr geführt.«
»Der Krieg anderer Leute«, sagte er. »Vor tausend Jahren. Eine zu lange Geschichte.«
Sie berührte die Narbe wieder zärtlich, und er stöhnte leise und sagte auf spanisch, wie zu sich selbst: »Ich habe zwar schon von Liebe auf den ersten Blick gehört, aber dies ist verrückt.«
»Warum?« erwiderte sie ruhig in derselben Sprache. »Ist das, was die Dichter uns seit Jahrhunderten versichert haben, nicht das einzige, wofür zu leben sich heute noch lohnt?«
»Also auch Spanisch?« fragte er. »Was mag diese Frau sonst noch alles können?«
»Englisch«, sagte sie. »Und Deutsch. Mein Russisch ist allerdings nicht fließend. Allenfalls passabel.«
»Nicht zu fassen.«
»Sie meinen, bei einer hübschen Blondine mit einem guten Körper?«
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Er registrierte die Bitterkeit in ihrer Stimme und trat zurück, um ihr ins Gesicht zu sehen. Seines zeigte unverhüllte Zärtlichkeit und eine gewisse Autorität. »Verzeihen Sie, wenn ich Sie verletzt habe. Es ist nicht me ine Absicht. Ich werde mich bemühen, mir bessere Manieren zuzulegen. Sie müssen mir nur ein bißchen Zeit lassen.«
Als die Musik verstummte und er sie von der Tanzfläche führte, war sie sich wieder jener Atemlosigkeit bewußt. »Champagner?« sagte er. »Ich nehme an, da Sie Französin sind, ist er Ihr Lieblingsgetränk.«
»Selbstverständlich.«
Er schnippte einem Kellner mit den Fingern, nahm ein Glas vom Tablett und reichte es ihr. »Dom Perignon, das Beste, was es gibt. Heute abend versuchen wir, neue Freunde zu gewinnen und alte zu halten.«
»Ich denke, Sie haben es nötig«, sagte sie.
Er runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht.«
»Oh. Haben Sie vorhin nicht die Nachrichten gesehen? Im Unterhaus wurden Fragen über die Falklandinseln gestellt. Anscheinend fährt unsere Navy zu Manövern in dem Gebiet.«
»Nicht Falklandinseln«, sagte er. »Für uns sind es die Malwinen.« Er zuckte mit den Schultern. »Ein alter Streit, es lohnt sich kaum, darüber zu reden. Es ist Sache der Politiker. Ich denke, die Briten werden frühe r oder später eine Vereinbarung mit uns treffen. Wahrscheinlich in nicht allzu ferner Zukunft.«
Sie ließ es dabei bewenden und hakte sich bei ihm unter, ehe sie zu einer
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