Die Stunde des Jägers - EXOCET
er sich abmühte, das Plastikgehäuse, das ihn umhüllte, auszuklinken.
»Großer Gott, laß mich nicht verbrennen«, dachte er, und dann löste sich das Dach der Kanzel und wurde fortgerissen.
Seine Finger, die von seinem eigenen Blut warm waren, tasteten nach dem Hebel, der den Schleudersitz betätigte, und in diesem Moment glitt ein Schatten über ihm vorbei. Flügel schlugen, und er sah einen riesigen Adler, der mit gespreizten Fängen auf ihn niederschoß. In seiner Todesangst schrie er auf. Er erwachte und merkte, daß er in Gabrielles Armen lag.
Sie saßen einander in der großen Badewanne gegenüber, völlig entspannt, und tranken Tee aus Porzellanbechern. Montera rauchte eine Zigarette.
»Der Tee ist ausgezeichnet«, sagte er.
»Viel besser für dich als Kaffee.«
34
»Von nun an gibt es keinen Kaffee mehr.«
»Ein Adler stößt herab«, sagte sie. »Da gibt es doch nur eins.«
»Was denn?«
»Landeklappen ausstellen, du hast es mir doch vorhin erzählt. Selbst Adler können das nicht einkalkulieren.«
»Genial«, sagte er. »Du wärst bestimmt eine Superpilotin geworden.« Er stand auf und langte nach einem Handtuch.
»Und jetzt?«
»Ich würde gern noch mal Cats sehen.«
»Aber es ist unmöglich, Karten zu bekommen.«
»Eine Herausforderung für dich.«
»Einverstanden. Und danach gehen wir essen?«
»Ja, am besten bei Daphne. Mir ist heute so französisch. Und sorg dafür, daß sie uns eine Nische reservieren.«
»Zu Diensten, Senorita«, sagte er.
Als er die Fliegerjacke anzog, fiel seine Brieftasche zu Boden. Einige Papiere rutschten heraus, und ein kleines Foto. Sie nahm es auf und betrachtete es. Die Frau in dem Korbsessel war auffallend gepflegt und perfekt frisiert und strahlte den Hochmut der wahren Aristokratin aus. Neben ihr stand ein kleines Mädchen in einem festlichen, weißen Kleid, ungewöhnlich aufgeschossen, mit großen dunklen Augen.
»Deine Mutter ist wunderschön«, sagte Gabrielle. »Viel Ähnlichkeit mit dir. Aber sie sieht aus, als sei mit ihr nicht immer gut Kirschen essen.«
»Nicht immer?« Er lachte. »Mit Dona Elena Llorca de Montera ist fast nie gut Kirschen essen.«
»Nun aber raus mit dir«, sagte sie. »Ich habe noch eine Menge zu erledigen.«
Er lächelte, ging zur Tür und blieb stehen. Als er sich um
drehte, lächelte er nicht mehr, sondern wirkte in dem offenen
35
Hemd und der abgewetzten alten Fliegerjacke verletzlich wie ein Kind.
»Du siehst wirklich umwerfend aus«, sagte sie.
»Ich kann übrigens Karate.«
»Eine Runde für dich«, sagte sie, wie einem Reflex folgend, ohne nachzudenken.
»Sehr gut.« Er küßte sie zärtlich, nahm das Foto, das aus der Brieftasche gerutscht war, und legte es auf den Tisch. »Du kannst es behalten.«
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß. Sie starrte zur Decke, dachte an Ferguson und wünschte, er wäre tot.
Ferguson saß am Cavendish Square an seinem Schreibtisch und ging mit Fox verschiedene Dokumente durch, als die Tür geöffnet wurde und Villiers an Kim vorbei ins Zimmer eilte, ehe der Gurkha ihn melden konnte.
»Mein lieber Tony, Sie sehen ja ganz aufgelöst aus«, sagte Ferguson, nachdem Kim sich zurückgezogen hatte.
»Was geht zwischen Gabrielle und diesem Argentinier vor, diesem Montera?« fragte Villiers. »Ich bin ihnen gestern nacht bis zur Wohnung gefolgt, versuchen Sie also nicht zu leugnen. Sie erledigt einen Auftrag für Sie, stimmt’s?«
»Das geht Sie nichts an, Tony«, sagte Ferguson. »Und ich dachte, sie kann jetzt machen, was sie will. Ich meine, ohne Sie zu fragen.«
Villiers zündete sich eine Zigarette an und trat ans Fenster. »Gut, ich habe verstanden. Aber ich darf mir vielleicht noch Sorgen machen, ja? Bei dem letzten Job, den sie für Sie erledigt hat, damals in Berlin, wäre sie beinahe für immer in einem Kanal gelandet.«
»Aber sie hatte Glück«, sagte Ferguson geduldig, »weil Sie wie üblich im richtigen Moment zur Stelle waren. Der Montera-Auftrag ist aber ein ganz kleiner Fisch. Sie soll einfach mög
36
lichst viele nützliche Info rmationen über die Falklandinseln aus ihm herausholen.«
»Wie denn, indem sie mit ihm ins Bett geht?«
»Nicht Ihre Sache, Tony. Außerdem gibt es wichtigere Dinge, über die Sie sich Sorgen machen sollten, wenn ich das sagen darf.«
Harry Fox reichte ihm eine Aktennotiz. »Man hat Ihren Urlaub mit sofortiger Wirkung beendet
Weitere Kostenlose Bücher