Die Stunde des Jägers - EXOCET
Streitkräfte waren auf Pebble Island gelandet und hatten elf argentinische Flugzeuge und ein Munitionslager zerstört. Zwei SEA-Harrier hatten Frachter im Falkland-Sund bombardiert.
Die mit grünem Filz bezogene Tür zum Arbeitszimmer öffnete sich, und Fox kam herein, ein eleganter Mann in einem blauen Flanellanzug von Huntsman of Savile Row, Prinz Charles’ Schneider. Auch er trug eine Guards-Krawatte, denn er hatte einmal bei den Blues and Royals als Captain gedient, bis ihn ein unglückseliger Bombenzwischenfall bei seinem dritten Einsatz in Belfast der linken Hand beraubt hatte. Nun trug er eine recht raffinierte Prothese, die ihm dank wundersamer Mikroelektronik fast ebensogut diente wie früher seine Hand. Ein adretter Lederhandschuh kaschierte den Unterschied vorzüglich.
»Tee, Harry?«
»Gerne, Sir. Wie ich sehe, hat die Presse die Pebble-IslandStory.«
»Ja, klingt alles sehr aufregend und schneidig«, bemerkte Ferguson, als er ihm eine Tasse einschenkte. »Aber offen gesagt haben wir auch ohne die Falkland-Inseln genug auf dem Hals, und das weiß keiner besser als Sie. Irland wird sich nicht einfach in Luft auflösen, und dann steht uns der Papstbesuch bevor. Angesetzt für den achtundzwanzigsten. Es bleiben uns also nur noch elf Tage. Und er exponiert sich so. Nach dem Attentatsversuch auf dem Petersplatz sollte man doch anneh
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men, daß er etwas vorsichtiger wäre.«
»Ist wohl nicht sein Stil.« Fox trank einen Schluck Tee. »Andererseits ist es angesichts der derzeitigen Entwicklungen mö glich, daß er doch nicht kommt. Südamerika ist für die katholische Kirche von entscheidender Bedeutung, und in ihren Augen sind wir in dieser Falkland-Affäre der Bösewicht. Man will nicht, daß er uns besucht, und die Rede, die er gestern in Rom hielt, schien in diese Richtung zu deuten.«
»Wäre mir durchaus recht«, versetzte Ferguson. »Das würde mich von der Verantwortung entlasten, dafür sorgen zu müssen, daß nicht irgendein Irrer versucht, ihn in England zu erschießen. Andererseits wären einige Millionen britischer Katholiken bitter enttäuscht.«
»Wie ich höre, sind die Erzbischöfe von Liverpool und Gla sgow zum Vatikan geflogen, um ihn zu einer Meinungsänderung zu bewegen«, sagte Fox.
»Hoffen wir, daß sie kläglich versagen.«
Das rote Telefon auf Fergusons Schreibtisch, das nur für hochgeheime Gespräche diente, piepte.
»Hören Sie mal nach, was es gibt, Harry.«
Fox hob ab. »Hier Fox.« Er lauschte kurz und gab dann mit ernster Miene den Hörer weiter. »Ulster, Sir. Armeehauptquartier Lisburn. Klingt gar nicht gut!«
Begonnen hatte es an diesem Morgen kurz vor sieben vor dem Dorf Kilgannon, rund zehn Meilen von Londonderry entfernt. Patrick Leary stellt in der Gegend seit fünfzehn Jahren die Post zu, und sein Royal-Mail-Kombi war ein vertrauter Anblick.
Seine Arbeit sah jeden Tag gleich aus. Um Punkt halb sechs trat er beim Hauptpostamt Londonderry seinen Dienst an, nahm die von der Nachtschicht bereits sortierte Frühpost entgegen, tankte an der behördeneigenen Tankstelle und fuhr dann los nach Kilgannon. Um halb sieben hielt er regelmäßig auf
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einem baumgesäumten Feldweg der Kilgannon-Brücke an, um die Morgenzeitung zu lesen, seine Frühstücksbrote zu verze hren und eine Tasse Kaffee aus der Thermosflasche zu trinken. Eine Routine, die zu Learys Pech nicht unbeachtet geblieben war.
Cuchulain behielt ihn zehn Minuten im Auge, wartete geduldig, bis er seine Brote aufgegessen hatte. Dann stieg Leary wie immer aus und ging ein Stückchen im Gehölz spazieren. Hinter ihm erklang ein leises Geräusch; ein Zweig knickte unter einem Fußtritt. Als er sich erschrocken umdrehte, glitt Cuchulain zwischen den Bäumen hervor.
Er bot einen furchterregenden Anblick, und Leary bekam sofort entsetzliche Angst. Cuchulain trug einen schwarzen Anorak und einen schwarzen Kopfschützer, der nur Augen, Nase und Mund freiließ. In der Linken hatte er eine halbautomatische PPK-Pistole mit Carswell-Schalldämpfer.
»Wenn Sie tun, was ich sage, bleiben Sie am Leben«, sprach Cuchulain mit einem weichen südirischen Akzent.
»Was Sie wollen«, krächzte Leary. »Bitte – ich hab’ Familie.«
»Legen Sie Mütze und Regenmantel auf den Boden.« Leary tat wie geheißen. Cuchulain streckte die rechte Hand aus, so daß Leary die große weiße Kapsel auf der Innenfläche des Handschuhs sehen konnte. »So,
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