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Die Stunde des Jägers - EXOCET

Die Stunde des Jägers - EXOCET

Titel: Die Stunde des Jägers - EXOCET Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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jetzt seien Sie brav und schlucken das.«

      »Wollen Sie mich vergiften?« Leary war ins Schwitzen geraten.
      »Sie sind ungefähr vier Stunden lang weg, das ist alles«, versicherte Cuchulain. »Ist besser so.« Er hob die Waffe. »Besser als das da.«

      Leary nahm mit zitternder Hand die Kapsel entgegen und schluckte sie. Er bekam Gummibeine, alles schien ihm unwirklich, und dann packte ihn eine Hand an der Schulter und stieß

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    ihn zu Boden. Er spürte noch kühles Gras im Gesicht, dann wurde es schwarz um ihn.
      Dr. Hans Wolfgang Baum war ein außergewöhnlicher Mann. Er kam 1950 in Berlin als Sohn eines bekannten Industriellen zu Welt und erbte, als sein Vater 1970 starb, ein Vermögen im Gegenwert von zehn Millionen Dollar und weltweite Geschäftsinteressen. Viele Leute in seiner Lage hätten sich nun ein vergnügliches Leben gemacht, was Baum auch tat. Der Unterschied war nur, daß er sein Vergnügen bei der Arbeit fand.

      Er war als Dr. Ing. von der Universität Berlin abgegangen, hatte an der London School of Economics Jura studiert und sich in Harvard einen Grad in Wirtschaftslehre erworben. Alle diese Meriten hatte er gut eingesetzt, seine zahlreichen Werke in Westdeutschland, Frankreich und den USA vergrößert und ausgebaut, so daß sein Privatvermögen inzwischen auf über hundert Millionen Dollar geschätzt wurde.
      Ein Projekt nun lag seinem Herzen am nächsten, der Aufbau einer Fabrik, die vor Londonderry bei Kilga nnon Traktoren und landwirtschaftliche Maschinen herstellen sollte. Die Baum AG hätte sich auch anderswo niederlassen können, was übrigens der Wunsch des Vorstands gewesen war. Weder der Vorstand noch gesunder Geschäftsverstand richteten etwas aus, denn Baum war ein wahrhaft guter Mensch, in dieser Welt eine Seltenheit, und überzeugter Christ. Als deutscher Protestant hatte er alles Menschenmögliche unternommen, um in der Fabrik eine echte Partnerschaft zwischen Katholiken und Protestanten zu erreichen. Er und seine Frau identifizierten sich uneingeschränkt mit der Gemeinde und schickten ihre drei Kinder auf Schulen am Ort.

      Daß er Kontakt mit der Provisorischen IRA aufgenommen hatte, galt als offenes Geheimnis; manche behaupteten sogar, er habe sich mit dem legendären Martin McGuiness persönlich getroffen. Ob dies nun zutraf oder nicht, die PIRA hatte das

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    Werk Kilgannon in Ruhe florieren und über tausend bisher arbeitslosen Protestanten und Katholiken Arbeit geben lassen.
      Baum hielt sich fit. Täglich wachte er um die gleiche Zeit auf, Punkt sechs, schlüpfte aus dem Bett, ohne seine Frau zu stören, und zog Trainingsanzug und Turnschuhe an. Eileen Docherty, das junge Dienstmädchen, war schon wach und machte in der Küche im Morgenrock Tee.
      »Frühstück um sieben, Eileen«, rief er. »Das übliche. Muß heute früh los. Um halb neun Betriebsratssitzung in Londonderry.«

      Er verließ das Haus durch die Küchentür, sprintete über den Rasen, setzte über einen niedrigen Zaun und hielt auf das Gehölz zu. Er joggte nicht, sondern rannte eher, fast wie ein Mittelstreckenläufer, folgte einer Re ihe von Waldwegen und war ganz mit den geplanten Ereignissen des Tages beschäftigt.

      Um sechs Uhr fünfundvierzig hatte er sein Pensum absolviert, kam aus dem Wald und trabte auf dem grasbewachsenen Seitenstreifen der Hauptstraße auf sein Haus zu. Wie gewöhnlich kam Pat Learys roter Post-Kombi ihm entgegen, fuhr an den Straßenrand und wartete. Durch die Windschutzscheibe sah Baum, wie Leary in Uniformmantel und -mütze die Briefe sortierte.
      Baum lehnte sich übers offene Seitenfenster. »Na, was haben Sie denn heute für mich, Patrick?«
      Das Gesicht war fremd; dunkle, ruhige Augen, knochig, ganz und gar keine Bedrohung, und doch war der Tod gekommen, ihn zu holen.

    »Tut mir ehrlich leid«, sagte Cuchulain. »Sie sind ein guter Mensch.« Die Walther in seiner Linken wurde plötzlich sichtbar, und schon setzte er die Mündung Zwischen Baums Augen. Die Waffe bellte einmal auf, und der Deutsche fiel rückwärts auf den Seitenstreifen, verspritzte Blut und Hirn übers Gras.

      Cuchulain fuhr sofort an und war innerhalb von fünf Minuten wieder auf dem Feldweg an der Brücke, wo er Leary zurückge
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    lassen hatte. Er riß sich die Mütze vom Kopf, zog den Mantel aus, warf beides neben den besinnungslosen Postbeamten, jagte durchs Gehölz und kletterte wenige Minuten später über einen Holzzaun neben einem schmalen,

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