Die Stunde des Jägers - EXOCET
ging ins Haus. Im Hof war jetzt nur noch das leise Prasseln des Regens zu hören, und Wanda blieb am Fenster kauern und wartete.
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Bobst stand im Ruderhaus des Landungsbootes und betrachtete das Fahrzeug durch ein Bullauge. Der offene Laderaum war nichts weiter als eine Stahlhülle. Die Ladung bestand aus zahlreichen Kisten und dem Laster mit seinen Leuten, die sich noch nicht gezeigt hatten. Dahinter waren die Bugklappen, die zum Landen auf den Strand geklappt wurden. Die See war etwas kabbelig, denn es ging eine frische Brise, doch obgleich Dunst und Regen die Sicht trübten, waren sie seit dem Ablegen von St. Martin gut vorangekommen. Der Kapitän, ein junger Oberleutnant zur See, kam von der Brücke herunter und befahl dem Rudergänger etwas.
»Backbord fünf.«
»Backbord fünf, verstanden.«
»Und nun Kurs halten.«
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»Kurs halten, bis auf zwei Komma drei, Kapitän.«
Der Oberleutnant sagte zu Bobst: »Jetzt dauert’s nicht mehr lange. Höchstens zwanzig Minuten.«
»Vielleicht darf ich Sie auf der Insel zu einem Glas einladen?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, aber ich bleibe nur, bis Sie und Ihre Leute an Land sind, dann muß ich weiter nach St. Nazaire. Ich hab noch Elektronik für das Lenkwaffenhauptquartier.«
Bobst nickte unbekümmert. »Dann vielleicht ein andermal.«
Er trat auf die Brücke, hakte die Öljacke zu, die sie ihm gegeben hatten, und schaute zu den Klippen von Ile de Roc, die in der Ferne drohend aus dem Meer ragten.
Der Hafen war klein, und das Boot wurde an einem Anleger aus Stein vertäut. Zwei Segelboote waren über die Flutlinie auf den Strand gezogen, und das einzige nennenswerte Fahrzeug war ein schnittiges, grüngestrichenes Motorboot.
Als die Bugklappen geöffnet waren, rollte der Laster über eine Betonrampe auf eine asphaltierte Straße, und Bobst ging neben ihm her. Ein paar Meter weiter parkte ein SimcaGeländewagen, dessen einziger Insasse, ein großgewachsener Mann mittleren Alters mit grau werdendem Haar, der eine Wetterjacke mit dickem Pelzkragen trug, ausstieg, als sie sich näherten.
»Hauptmann Leclerc?«
»So ist es«, sagte Bobst.
»Bloß raus aus diesem verdammten Regen. Major Espinet, ich habe hier das Kommando. Ich nehme Sie mit zum Stützpunkt. Ihr Laster kann hinterherfahren.«
Bobst nickte Kemal zu und stieg ein. Als der Geländewagen losfuhr, sagte er zu Espinet: »Ein schönes Boot da unten im Hafen. Ihres, nicht wahr?«
Espinet lächelte: »Mein großes Hobby. Bei Akerboon gebaut.
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Stahlrumpf, Doppelschraube. Macht fünfunddreißig Knoten.«
»Fabelhaft«, bemerkte Bobst.
»Hilft einem, auf dieser gottverdammten Insel die Zeit totzuschlagen«, fuhr Espinet fort. »Ich könnte mir ein besseres Kommando vorstellen.«
»Wenn wir die Kolonien noch hätten, sähe es anders aus«, antwortete Bobst liebenswürdig.
An der gewundenen Straße, die vom Hafen hinaufführte, standen alte Katen aus Feldsteinen, von denen die meisten einen verwahrlosten Eindruck machten. »Die Leute sind schon vor Jahren aufs Festland gegangen, auch von den anderen kleinen Inseln vor der Küste«, erklärte Espinet. »Hier hat es kaum noch zum Leben gereicht. Fischen und ein bißchen Viehzucht. Sie bekamen manchmal ein Jahr lang keinen HundertfrancSchein zu Gesicht.«
Sie erreichten den Kamm oberhalb des Hafens, und Bobst sah die Basis, die kaum diese Bezeichnung verdiente, eine Ansammlung häßlicher, schuppenähnlicher Betonhäuser mit Flachdächern, dafür gebaut, den wütenden Stürmen zu widerstehen, die in den Wintermonaten vom Atlantik über die Insel peitschten. Sie wurden überragt von einem etwa zwölf Meter hohen, turmartigen Bauwerk, ebenfalls aus Beton, um dessen verglastes Obergeschoß eine schmale Galerie lief. An der Seite führte eine eiserne Feuerleiter hinunter.
Bobst, der sehr wohl wußte, worum es sich handelte, fragte: »Was ist das? Ich meine, der Turm dort.«
»Die Funkstation«, sagte Espinet. »Außerdem betreiben wir da oben noch einen neuen Kurzwellenmonitor für die Testflüge. Darum brauchen wir die Höhe.«
Ein Stück weiter war eine Reihe niedriger, bunkerähnlicher Bauwerke. »Sind das die Raketensilos?« fragte Bobst.
»Ja. Sie müssen hier unter der Erde sein. Da draußen ist der Atlantik, was die Insel zu einem idealen Versuchsgelände
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macht, aber die Orkane sind manchmal unglaublich. Vor zwei Jahren war es so
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