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Die Stunde des Jägers - EXOCET

Die Stunde des Jägers - EXOCET

Titel: Die Stunde des Jägers - EXOCET Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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sein.«

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      »Nicht notwendigerweise. Nach Ihnen dreht man sich zweimal um.« Sonderbar, am liebsten hätte sie auf einmal geweint, sich dieser unglaublich warmen Stimme geöffnet. Er nahm sie am Arm und sagte sanft: »Immer mit der Ruhe. Sie haben mir immer noch nicht verraten, was El Greco Ihnen sagt.«

      »Ich bin nicht katholisch erzogen worden«, erwiderte sie. »Ich sehe keinen Erlöser am Kreuz, sondern einen gefolterten großen Mann, vernichtet von kleinmütigen Menschen. Und Sie?«
      »Mir gefällt Ihr Akzent«, sagte Devlin. »Erinnert mich an Greta Garbo, die ich als kleiner Junge im Kino sah, aber das war hundert Jahre vor Ihrer Zeit.«
      »Die Garbo ist mir nicht unbekannt«, antwortete sie, »und ich fühle mich entsprechend geschmeichelt. Sie haben mir aber immer noch nicht gesagt, was Ihnen das Bild bedeutet.«

      »Angesichts des heutigen Tages eine tiefschürfende Frage«, sagte Devlin. »Heute früh um sieben wurde in St. Peter in Rom eine ganz besondere Messe abgehalten; vom Papst gemeinsam mit Kardinälen aus Großbritannien und Argentinien.«
    »Und wird das etwas bewirken?«

      »Es hat weder die Royal Navy an ihrem munteren Vorankommen noch die argentinischen Skyhawks an ihren Angriffen gehindert.«

    »Was bedeutet das?«
      »Daß sich der Allmächtige, sofern er existiert, einen Jux auf unsere Kosten macht.«
      Tanja runzelte die Stirn. »Ich kann Ihren Akzent nicht unterbringen. Sie sind bestimmt kein Engländer.«

    »Nein, ich bin Ire.«
    »Ich dachte, alle Iren seien tief religiös?«

      »Stimmt auch. Meine alte Tante Hannah hatte vom vielen Beten Hornhaut an den Knien. Als ich noch ein kleiner Junge war, schleppte sie mich in Drumore dreimal am Tag zur Mes
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    se.«
      Tanja Woroninowa wurde stocksteif. »Was sagten Sie da gerade?«

      »Ich sprach von Drumore, einem Marktflecken in Ulster. Die Kirche heißt Heiliggeistkirche. Am deutlichsten kann ich mich an meinen Onkel und seine Kumpane erinnern, wie sie aus der Messe kamen und gleich auf Murphy’s Select Bar zusteuerten.«

      Sie wandte sich ihm zu und war nun sehr blaß geworden. »Wer sind Sie?«

      »Eins steht fest, mein Kind«, sagte er und strich ihr leise übers schwarze Haar, »Cuchulain, letzter der Schwarzen Helden, bin ich nicht.«

      Ihre Augen weiteten sich und verrieten Zorn, als sie an seinem Mantel zerrte. »Wer sind Sie?«

    »Sozusagen Viktor Lewin.«
      »Viktor?« Sie sah verwirrt aus. »Viktor ist doch tot. Kam vor einem Monat oder so in Arabien ums Leben. Das hat mir Vater gesagt.«
      »General Maslowski? Der würde Ihnen natürlich so etwas auf die Nase binden. Nein, Viktor gelang die Flucht. Er lief über, landete erst in London und dann in Dublin.«
    »Geht es ihm gut?«

      »Er ist tot«, stieß Devlin hervor. »Ermordet von Michail Kelly oder Cuchulain oder dem Schwarzen Helden oder wie Sie ihn sonst nennen mögen. Eben jenem Mann, der vor dreiundzwanzig Jahren in der Ukraine Ihren Vater erschoß.«
      Sie sank gegen ihn. Er schlang stützend einen Arm um sie, stark, selbstsicher. »Halten Sie sich an mir fest, setzen Sie einen Fuß vor den anderen. Ich führe Sie hinaus an die frische Luft.«
    Sie setzten sich auf eine Bank im Jardin des Tuileries. Devlin
nahm sein silbernes Etui heraus und bot ihr eine Zigarette an.
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    »Frönen Sie diesem Laster?«
    »Nein.«
      »Gut. Hemmt nur Ihr Wachstum. Und Sie haben Ihre besten Jahre noch vor sich.«
      Irgendwo hatte er einmal dieselben Worte gesagt, vor langer, langer Zeit. Zu einem Mädchen, das die ser jungen Frau sehr ähnlich gewesen war: keine Schönheit im herkömmlichen Sinn, aber attraktiv auf eine Art, die ihn zwang, noch einmal hinzuschauen. Bei der Erinnerung empfand er einen Schmerz, den selbst die Zeit nicht hatte auslöschen können.

      »Für einen Geheimagenten sind Sie ein seltsamer Mann«, meinte sie. »Das sind Sie doch, nehme ich an?«
      Er lachte laut auf, so laut, daß Tony Hunter, der jenseits der Henry-Moore-Ausstellung auf einer Bank Zeitung las, ruckartig aufschaute.

      »Gott behüte!« Devlin zog die Brieftasche heraus und entnahm ihr eine kleine Karte. »Mein Ausweis. Ausschließlich für formelle Anlässe, das kann ich Ihnen versichern.«

      Sie las laut. »Professor Liam Devlin, Trinity-College, Dublin.« Sie sah auf. »Professor für was?«

      »Für englische Literatur. Wie die meisten Geisteswissenschaftler beackere ich ein weites Feld, das Oscar

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