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Die Stunde des Jägers - EXOCET

Die Stunde des Jägers - EXOCET

Titel: Die Stunde des Jägers - EXOCET Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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– unser Land. Übrigens bin ich nicht beim KGB, sondern Oberstleutnant des Militärnachrichtendienstes.« Er lächelte Devlin abwehrend zu. »Man hat mich halt immer wieder befördert.«
      »Aber die Taten, die Morde, die Sie begangen haben«, fuhr sie dazwischen. »An unschuldigen Menschen.«
      »Unschuld kann es auf dieser Welt nicht geben, solange Menschen auf ihr leben. Das lehrt uns die Kirche. Im Leben wird es immer ungerecht zugehen, weil es eben unfair ist. Wir müssen die Welt so sehen, wie sie ist, und nicht, wie sie gewesen sein könnte.«

    »Mein Gott!« rief Devlin. »Erst bist du Cuchulain, und dann im Handumdrehen wieder Priester. Hast du eigentlich eine Ahnung, wer du in Wirklichkeit bist?«

      »Als Priester bin ich auch wirklich Priester«, sagte Cussane fest. »Dem kann ich mich nicht entziehen. Das bekäme ich auch trotz meiner Vergangenheit als erstes von der Kirche zu hören. Mein anderes Ich aber kämpft für sein Land. Ich habe mich für nichts zu rechtfertigen. Ich stehe im Krieg.«
      »Sehr praktisch«, spottete Devlin. »Du orientierst dich also entweder an der Kirche oder am KGB. Besteht da überhaupt ein Unterschied?«
    »Kommt es denn darauf an?«

      »Verdammt noch mal, Harry, verrate mir mal eins: Woher hast du gewußt, daß wir dir auf der Spur waren? Wie hast du erfahren, daß Tanja kommt? War ich die Quelle?« explodierte er. »Wie konnte das möglich sein?« »Du willst sagen, daß du wie üblich dein Telefon überprüft hast?« Cussane stand nun

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    mit der Stetschkin in der Hand an der Hausbar. Er goß Bus hmills in drei Gläser, brachte sie auf einem Tablett an den Tisch vorm Sofa, nahm eines und trat zurück. »Ich benutzte eine Spezialanlage auf dem Speicher meines Hauses, mit Richtmikrophon und anderen Einrichtungen. Von dem, was sich hier tat, entging mir kaum etwas.«
      Devlin holte tief Luft, doch als er sein Glas hob, blieb seine Hand ruhig. »Schöne Freundschaft.« Er kippte den Whiskey. »Und was wird jetzt?«
    »Aus dir?«

      »Nein, aus dir, du Idiot! Wo willst du hin, Harry? Zurück zu Mütterchen Rußland?« Er schüttelte den Kopf und wandte sich an Tanja. »Wenn ich es mir recht überlege, ist Rußland ja auch nicht seine Heimat.«
      Cussane empfand nun keinen Zorn, keine Verzweiflung. Sein ganzes Leben lang hatte er jede gewünschte Rolle gespielt, jene professionelle Gelassenheit kultiviert, die für eine wohlberechnete Leistung als Darsteller unabdingbar war. Für echte Gefühle war in seinem Leben nur wenig Raum gewesen. Jede Tat, auch die guten, war lediglich Reaktion auf eine gegebene Situation gewesen, essentieller Bestandteil der Darbietung. Das redete er sich jedenfalls ein. Und doch hatte er Devlin aufrichtig gern, und das war schon immer so gewesen. Und das Mädchen? Er schaute Tanja an. Ihr wollte er nichts zuleide tun.
      Devlin, als hätte er viel von dem gespürt, was in Cussane vorging, fragte leise: »Wohin willst du fliehen, Harry? Gibt es irgendwo einen Platz für dich?«
      »Nein«, erwiderte Harry Cussane ruhig. »Nirgends. Und auch kein Versteck. Nach allem, was ich getan habe, würden sich deine Freunde von der IRA meiner ohne Zögern entledigen. Ferguson will mich bestimmt nicht lebendig fangen. Was hätte er dabei zu gewinnen? Ich wäre ihm nur eine Belastung.«
    »Und deine Leute? Wenn du erst wieder in Moskau bist,
kommst du mit Sicherheit ins Lager. Letzten Endes hast du
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    versagt, und für so etwas hat man nicht viel übrig.«
      »Stimmt.« Cussane nickte. »Abgesehen von einem Aspekt: man will mich gar nicht wiederhaben, sondern nur tot wissen. Sie haben schon versucht, mich auszuschalten. Auch die Russen brächte ich nur in Verlege nheit.«

      Auf diese Erklärung hin entstand ein Schweigen. Dann fragte Tanja: »Und was geschieht jetzt? Was wollen Sie tun?«
      »Weiß der Himmel«, gab er zurück. »Ich bin eine wandelnde Leiche, mein Kind. Liam versteht das. Er hat recht. Für mich gibt es keinen Fluchtort, heute nicht, morgen nicht, nächste Woche nicht. Wenn ich in Irland bleibe, machen mir McGuiness und seine Männer den Garaus, meinst du nicht auch, Liam?«

    »Wohl wahr.«
      Cussane erhob sich, ging auf und ab, hielt die Stetschkin auf Kniehöhe. Dann wandte er sich an Tanja. »Finden Sie, daß in Drumore im Regen das Leben grausam mit einem kleinen Mädchen umsprang? Wissen Sie, wie alt ich damals war? Gerade zwanzig. Das Leben war grausam, als sie meinen Vater hängten; als

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