Die Stunde des Jägers - EXOCET
vorbeitaumelte. Murray fiel auf ein Knie, blieb kurz in dieser Stellung, stand dann auf und ließ einen ziellosen Schwinger los. Cussane setzte die Rechte unter seine Rippen, gefolgt von einem linken Haken an die Wange, der eine Platzwunde öffnete.
»Murray, mein Gott ist ein Gott des Zornes, wenn es die Umstände erfordern.« Er schlug dem massiven Mann ein zweites Mal ins Gesicht. »Wenn Sie das Mädchen noch einmal anrühren, bringe ich Sie um. Verstanden?«
Cussane trat Murray knapp unter die Kniescheibe. Der Klotz
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ging in die Knie und verharrte in dieser Stellung.
Nun trat der alte Finlay zu ihnen. »Ich habe dich zum letzten Mal gewarnt, du Schwein.« Er stieß Murray mit dem Lauf der Schrotflinte. »Du verläßt noch heute mein Lager und gehst deinen Weg.«
Murray kam schwankend und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Beine, drehte sich um und humpelte zum Lager. Finlay sagte: »Bei Gott, Sie machen aber auch nichts halb.«
»Wenn schon, denn schon«, gab Cussane zurück.
Morag hatte Angelrute und Fischkorb aufgehoben, stand nun da und schaute ihn verwundert an. Dann wich sie zurück. »Ich kümmere mich ums Frühstück«, sagte sie leise und rannte zum Lager.
Sie hörten, wie der Motor des Jeeps angelassen wurde; das Geräusch entfernte sich. »Zeit hat er keine verloren«, bemerkte Cussane.
»Den sind wir los«, meinte Finlay. »So, und jetzt ans Frühstück.
Murray Finlay hielt den Jeep vor dem Zeitungsladen in Whitechapel an und blieb nachdenklich sitzen. Neben ihm hockte der kleine Donal. Er haßte und fürchtete seinen Vater und hatte nicht mitkommen wollen, aber Murray hatte ihm keine andere Wahl gelassen.
»Du bleibst hier«, befahl Murray jetzt. »Ich brauch’ Tabak.«
Er ging an die Tür des Ladens, die hartnäckig verschlo ssen blieb, als er sie aufzudrücken versuchte. Er stieß eine Verwünschung aus und wollte sich schon abwenden, hielt dann aber inne. Im Ladeneingang lag ein Stapel Morgenzeitungen, und ein Foto auf einer Titelseite weckte seine Aufmerksamkeit. Er zog ein Messer hervor, zerschnitt den Bindfaden, mit dem der Stapel verschnürt war, und griff nach dem zuoberst liegenden Exemplar.
»Sieh mal einer an! Jetzt hab’ ich dich, du Scheißkerl!«
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Er humpelte über die Straße zum Häuschen des Polizisten und öffnete das Gartentor.
Der kleine Donal stieg verdutzt aus dem Jeep, scha ute sich die nächste Zeitung an und entdeckte das Bild eines Mannes, der Cussane recht ähnlich sah. Er blieb kurz stehen, starrte das Abbild des Mannes, der ihm das Leben gerettet hatte, an, und machte dann kehrt und rannte zurück zum Lager, so schnell er konnte.
Morag stapelte nach dem Frühstück die Zinkteller auf, als Donal angehastet kam.
»Was ist los?« rief sie, denn es war offenkundig, daß ihn etwas bedrückte.
»Wo ist der Pater?«
»Im Wald spazieren, mit Opa. Was ist passiert?«
Sie hörten, wie sich der Jeep näherte. Donal fuchtelte mit der Zeitung. »Guck dir das an! Das ist er!«
Er war es, zweifellos. Laut Personenbeschreibung war Cussane, wie Ferguson angedeutet hatte, lediglich ein gefährlicher IRA-Mann, der sich als Priester ausgab.
Der Jeep kam dröhnend ins Lager, und Murray sprang mit der Schrotflinte in der Hand heraus, gefolgt vom Dorfpolizisten, der zwar seine Uniform trug, aber offenbar nicht die Zeit gefunden hatte, sich zu rasieren.
»Wo ist er?« herrschte Murray, packte den Jungen beim Haar und schüttelte ihn. »Los, raus damit, du Rotzlöffel!«
Donal schrie vor Schmerz auf. »Im Wald.«
Murray stieß ihn weg und nickte dem Polizisten zu. »Gut, schnappen wir ihn.« Er drehte sich um und eilte auf die Schonung zu.
Morag dachte nicht lange nach, sondern handelte blitzschnell. Sie huschte in den Planwagen, fand Cussanes Reisetasche und warf sie in den Jeep. Dann kle tterte sie auf den Fahrersitz und drückte auf den Anlasserknopf. Sie hatte den Geländewagen
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oft gesteuert und kannte sich genau mit ihm aus. Der Jeep schoß los, daß die Reifen auf defn unebenen Boden durchdrehten. Morag steuerte von Murray und dem Polizisten weg. Murray fuhr herum, sie sah die Wut in seinem Gesicht und hörte den dumpfen Knall seiner Schrotflinte. Sie riß das Steuer herum, streifte ihn, schleuderte ihn beiseite und jagte den Jeep direkt in die junge Birkenschonung. Cussane und Finlay, von dem Aufruhr aufgeschreckt, liefen auf das Lager zu, als der Jeep mit
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