Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
wurde er auf die Mailbox umgeleitet und hinterließ eine Nachricht über das Messer. Zusammen mit der Leiche und dem Blut im Badezimmer bedeutete dieser Fund, dass Clair Piries Chancen, sich aus dieser Sache herauszuwinden, gleich null waren. Nicht mal Sandy die Schlange würde sie da raushauen können. Als Nächstes versuchte er es auf Jackies Handy, in der Hoffnung, wenigstens für ein paar Minuten nicht mit Rennie über die Arbeit oder irgendwelche blöden Seifenopern reden zu müssen. Auch hier keine Antwort. Also wählte er Colin Millers Nummer, lehnte sich an den Küchentisch und blickte durch die Terrassentür auf die schweigende Silhouette der Westhill-Oberschule hinaus, deren Silhouette sich vor einer Reihe Straßenlaternen aus der Dunkelheit abhob. Es läutete und läutete und läutete, bis schließlich eine verrauschte Aufzeichnung von Millers Stimme in Logans Ohr tönte, die ihn mit breitem Glasgower Akzent aufforderte, Namen, Telefonnummer und eine kurze Nachricht zu hinterlassen, und versprach, so bald wie möglich zurückzurufen. »Colin, hier Logan. Wollte bloß mal hören, ob Sie noch leben, nachdem Isobel Sie in die Finger gekriegt hat, Sie alter Rumtreiber! Ich –«
Ein Rechteck aus Licht fiel auf den Rasen des Nachbargartens. Ailsa Cruickshank war nach Hause gekommen. »Mist.« Er brach den Anruf ab. Es war ihnen bisher nicht gelungen, sie zu erreichen; sie wusste noch nicht, dass ihr Mann tot war. Und nachdem DI Steel sich aus dem Staub gemacht hatte, war Logan der ranghöchste Beamte vor Ort.
Mit einem Seufzer machte er sich auf den Weg nach nebenan, um ihr die Nachricht so schonend wie möglich beizubringen, wobei er eine uniformierte Polizistin als moralischen Beistand mitnahm. Ailsas Mann trieb sich doch nicht mit einer Nackttänzerin an irgendeinem fernen Strand herum; sein Torso lag auf einer Bahre im Leichenschauhaus. Logan wusste nicht, was schlimmer war: zu erfahren, dass der Mann, mit dem man verheiratet war, ein elender Lügner und Ehebrecher war – oder eine verstümmelte Leiche.
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Später im Präsidium war die Stimmung ernst, aber verhalten optimistisch. Es war DI Steel nicht gelungen, dem Pirie-Weib ein Geständnis zu entlocken, aber es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein. Um halb elf hatte der Rest des Teams sich schon ins Archibald Simpson’s verfügt. Die Staatsanwältin hatte die erste Runde ausgegeben und alle für die hervorragende Arbeit gelobt, durch die es ihnen gelungen war, binnen so kurzer Zeit eine Tatverdächtige festzunehmen. Und sie versprach, dafür zu sorgen, dass Clair Pirie sehr, sehr lange hinter Gittern verschwinden würde. Dann hob sie ihr Glas, und Logan, Rennie und Rachael Tulloch stießen gezwungen lächelnd mit ihr an und versuchten sich nicht anmerken zu lassen, wie albern sie sich vorkamen. Nach der ersten Runde brach die Staatsanwältin auf, doch ihre Stellvertreterin blieb noch und schleppte grinsend die zweite Runde an. Dann war Rennie an der Reihe, einen auszugeben, und die Unterhaltung begann allmählich von dienstlichen Themen abzuschweifen. Als Logan dann mit zwei Hellen und einem großen Gin Tonic beladen von der Bar zum Tisch zurücktorkelte, begannen die Konturen schon ganz leicht zu verschwimmen – die Folge von drei Halben auf leeren Magen und zwei Wochen mit viel zu wenig Schlaf. Dann erzählte Rachael einen Witz über zwei Nonnen, die mit einem Mini in Urlaub fahren, und vermasselte die Pointe, weil sie zu viel kichern musste. Rennie konterte mit einem über zwei Nonnen in einer Kondomfabrik, und Logan dachte, die stellvertretende Staatsanwältin würde sich in die Hose machen. Sie wieherte vor Lachen und klatschte Logan auf den Schenkel – und ließ die Hand liegen, während sie sich mit der anderen die Tränen aus den Augen wischte …
Irgendwann nach Mitternacht schleppte er sich schließlich in die Wohnung, wo er sich schon auf dem Weg zum Klo die Kleider vom Leib riss und sie einfach im Flur liegen ließ. Das Bad kreiste um ihn, während er seine Blase leerte und sich flüchtig die Zähne putzte. Dann noch rasch einen Liter Wasser hinter die Binde gekippt, ins Schlafzimmer gewankt und unter die Decke gekrochen. Nach wenigen Minuten schnarchte er schon selig und hörte nicht, wie Jackie eine halbe Stunde später von der Spätschicht zurückkam.
Die Musik sollte wohl beruhigend wirken, aber sie klang eher bedrückend als sonst irgendwas – eine Serie getragener Orgelchoräle, die durch das Kirchenschiff waberten,
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