Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)
können.«
Die Frau lachte und ließ den Kimono los, der daraufhin wieder in die ursprüngliche Position zurückfiel, nur ein gutes Stück offener. »Ja, wer’s glaubt. Ihnen sieht man den Bullen doch zehn Meilen gegen den Wind an. Was wollt ihr?«
»Ms. …?«
»Saunders.«
»Richtig. Ms. Saunders, wir wollten zu Agnes Walker. Sie wohnt doch hier, oder?«
Die Augen der Frau verengten sich. »Wieso?«
»Wir … äh … ich meine …« Rennie schielte voller Panik nach Logan, der es tatsächlich versäumt hatte, den Constable über den Grund ihres Besuchs aufzuklären.
»Wir wollen mit ihr über einen Überfall sprechen, der sich vor zwei Wochen ereignet hat.«
Ms. Saunders verlegte ihre Aufmerksamkeit von Rennie auf Logan, der ihr versicherte, dass Agnes keine Schwierigkeiten zu erwarten habe; sie wollten nur herausfinden, wer sie verprügelt hatte, um denjenigen daran zu hindern, es noch einmal zu tun.
Die Frau verschränkte die Arme, womit sie den Saum ihres Kimonos um gut zehn Zentimeter anhob. »Und wieso sind Sie auf einmal so um Agnes’ Wohlergehen besorgt? Na? Wo waren Sie denn bitte, als der Kerl sie windelweich geprügelt hat?« Sie straffte die Schultern. »Und wieso hat es überhaupt so lange gedauert, bis Sie sich mal dafür interessieren?«
Logan musste zugeben, dass sie nicht ganz unrecht hatte. »Sie sagte mir, es sei ein Unfall gewesen.«
»Ein Unfall?« Sie schnaubte verächtlich. »Soll das ein Witz sein? Haben Sie gesehen, wie die zugerichtet war? Das war kein Unfall – irgendein Dreckskerl hat versucht, die Ärmste zu erwürgen! Vier Tage hat sie fest im Bett gelegen und die halbe Zeit Blut gepinkelt. Das war vielleicht eine Sauerei.«
»Hat sie Ihnen gesagt, wer es war?«
»Das wusste sie nicht. Sonst hätt ich in null Komma nix mit ’ner rostigen Schere bei dem Dreckskerl auf der Matte gestanden und ihm den Pimmel abgeschnitten!«
Logan spähte über ihre Schulter in die abgedunkelte Wohnung. »Sagen Sie, können wir uns vielleicht drinnen weiterunterhalten –«
»Nein, verdammt – bei mir gibt’s keine Gratisnummer. Und schon gar keinen flotten Dreier!«
»Ich will gar keine ›Gratisnummer‹, okay? Und er auch nicht.« Logan deutete mit dem Daumen auf Rennie. Es war kaum zu übersehen, dass der Blick des Constables ausnehmend lange und intensiv auf der nackten Haut ruhte, die unter dem verrutschten Kimono der Frau zum Vorschein gekommen war. »Geben Sie uns eine Beschreibung – hat Agnes Ihnen gesagt, wie der Täter aussah?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Mittelgroß, braune Haare, unauffälliger Typ.« Als Logan nichts erwiderte, sondern nur schweigend dastand, seufzte sie wieder. »Hören Sie, ich hab keine Ahnung, okay? Sie hat gesagt, er hätte so einen protzigen Schlitten gehabt, so einen dicken BMW. Das ist alles, woran ich mich erinnern kann. Wenn Sie mehr wissen wollen, müssen Sie sie schon selbst fragen.«
»Das werde ich. Wo ist sie?«
»Keine Ahnung.«
Aus der Wohnung tönte eine Männerstimme – heiser, tief und mit einem Fraserburgh-Akzent. »Was gibt’s denn?«
Sie wandte sich um und rief zurück: »Gar nichts. Fang schon mal allein an, ich bin gleich da.« Dann wieder zu Logan: »Sie ist heute Morgen nicht nach Hause gekommen.«
Wieder die Männerstimme: »Kommst du jetzt vielleicht her, oder was?« Ms. Saunders seufzte. »Ja, verdammt, eine Sekunde noch!« Sie streckte die Hand aus. »Geben Sie mir Ihre Karte. Sie ruft Sie an, sobald sie zurück ist, und wenn nicht, dann melde ich mich. Dieser Drecksack, der ihr das angetan hat, hat’s wirklich nicht besser verdient.« Und kaum hatte Logan ihr seine Grampian-Police-Visitenkarte in die Hand gedrückt, da wurde ihnen auch schon die Tür vor der Nase zugeknallt.
»So«, sagte Rennie, als sie zum Wagen zurückgingen, »erzählen Sie mir jetzt vielleicht mal, worum es überhaupt geht?«
»Agnes Walker wurde vor ungefähr zwölf Tagen brutal zusammengeschlagen. Rund vier Tage später wird Rosie Williams zu Tode geprügelt. Und wieder vier Tage später ist Michelle Wood dran.«
»Und?« Rennie klickte die Zentralverriegelung auf und kletterte hinter das Lenkrad.
»Was, wenn Rosie Williams für den Kerl nicht die Erste war?«, sagte Logan, während er auf der Beifahrerseite einstieg. »Angenommen, er war vorher schon auf der Suche nach einem Opfer, nur dass die Erste sich wehrt und er die Sache nicht zu Ende bringen kann. Er lernt aus seinen Fehlern und zieht erneut los. Er versucht es bei Rosie,
Weitere Kostenlose Bücher