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Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition)

Titel: Die Stunde des Mörders: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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Steel; er solle sofort ins Krankenhaus kommen. Jamie McKinnon war gerade durch die rektale Prüfung gefallen.
    Es war nicht weit bis zum Aberdeen Royal Infirmary, nur über die Ampel am Anderson Drive und ein Stück den Berg hinunter, also entschuldigte Logan sich und machte sich zu Fuß auf den Weg. Als er am Krankenhaus ankam, hatte sich das dünne Wolkenband schon so weit ausgedehnt, dass es den halben Himmel bedeckte, schlachtschiffgrau und bedrohlich violett. Er schlüpfte gerade in die Eingangshalle, als die ersten zögerlichen Tropfen an die Automatiktüren zu tappen begannen.
    Die Eingangshalle des ARI war ein großer, offener Raum mit Bildern an den Wänden und bequemen Sitzgelegenheiten, in dem Logan jedes Mal eine Gänsehaut bekam. Er eilte über das im Fußboden eingelassene Wappen des Krankenhauses und weiter zu Jamies Station. Aber Jamie war nicht mehr da. Von einer total gestressten Krankenschwester mit blutbeflecktem Kittel erfuhr Logan, dass er in ein Einzelzimmer im dritten Stock verlegt worden sei. Es dauerte nicht lange, bis er ihn gefunden hatte.
    DI Steel war schon da, zusammen mit einem großen, kräftigen Burschen vom Drogendezernat. Logan wurde ihm vorgestellt und hatte dem Mann gerade die Hand geschüttelt, als ihm siedend heiß einfiel, wo diese gerade gewesen war. Es war eine riesige Hand, in der Logans eigene ganz verschwand, und er empfand plötzlich Mitleid mit Jamie McKinnon, der zusammengerollt auf dem Bett lag wie ein geprügeltes Kind, mit dem Gesicht zur Wand. Das musste wehgetan haben! Stadtrat Marshall hätte seine helle Freude gehabt.
    »Na los«, sagte Steel zu ihrem kräftigen Freund. »Zeig ihm, was du gefunden hast.«
    Der Mann lächelte kühl und hielt eine Nierenschale aus Edelstahl hoch, in der zwei schleimige, klumpige Päckchen lagen, jedes nur etwa zehn Zentimeter lang – wie zwei kleine Leberwürste. »Ich kann’s nur grob schätzen, aber ich denke, dass das gut und gerne ein halbes Pfund Crack ist«, sagte er. »So eine Menge Kokain kann unmöglich nur für den persönlichen Konsum sein – das ist zum Verdealen. Hier bei uns kriegt man das Zeug eher selten zu Gesicht. Euer Knabe hier will offenbar einen neuen Trend starten.«
    Steel ließ sich neben dem in Embryonalstellung zusammengekauerten Jamie auf das Bett sinken und klopfte ihm auf den Schenkel. »Na, Jamie, willst du uns jetzt was über deine Kumpels aus dem Süden erzählen, oder soll ich einfach die Liste der Anklagepunkte gegen dich noch um ›Drogenbesitz und -handel‹ ergänzen?« Aber Jamie hatte vorläufig genug vom langen Arm des Gesetzes. Er lag nur reglos da, zusammengerollt wie ein Baby, starrte weiter die Wand an und schwieg.
    Halb fünf. Ailsa Cruickshank griff zum Telefon und rief in Gavins Büro an. Aber es war Norman, der sich meldete. Viel zu jung, um schon Vertriebsleiter zu sein, und nie um eine anzügliche Bemerkung verlegen. Errötend fragte Ailsa ihn, ob sie ihren Mann sprechen könne. Am anderen Ende der Leitung war es einen Moment still, als ob Norman über etwas nachdächte. Und dann: »Aber Ailsa, was kann denn so ein oberscharfes Gerät wie du von so einem alten Sack wollen?«
    »Er soll noch ein paar Sachen fürs Abendessen besorgen«, antwortete sie, verlegen und zugleich erregt, weil er sie ein »oberscharfes Gerät« genannt hatte.
    »Bleib mal ’nen Moment dran, okay, Schätzchen?« Am anderen Ende war eine gedämpfte Unterhaltung zu hören. »Tut mir leid, Ailsa, mein Mäuschen. Ich fürchte, der alte Stinker ist zu einem Kunden gefahren. Wird wahrscheinlich länger dauern. Tut mir echt leid, Baby – du weißt ja, wie das hier läuft: Der Kunde ist König. Aber wenn du einsam bist, kann ich jederzeit vorbeischauen und dich ein bisschen warm halten.« Lächelnd erklärte sie ihm, es sei schon in Ordnung, und legte auf. Norman war einfach fürchterlich! Immer warf er mit Komplimenten und anzüglichen Bemerkungen um sich – genau wie Gavin es getan hatte, bevor die ganzen Tests die Leidenschaft gedämpft hatten. In den vier Jahren, die sie nun schon vergeblich versuchten, ein Kind zu bekommen. Vier Jahre nichts als medizinische Gutachten und Ovulationszyklen … Egal, es war nicht weiter wichtig. Bald würde alles wieder so sein wie vorher. Das Leben hielt für alle Probleme eine Lösung bereit. Man musste sich nur gedulden.
    Mit einem tapferen Lächeln nahm sie die Schlüssel ihres neuen Wagens vom Tisch. Dann würde sie eben selbst zum Supermarkt fahren müssen. Gavin

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