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Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)

Titel: Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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lange?«, fragte sie.
    »Wir werden sehen. Bis ich entscheide, dass Sie zurückkommen können.«
    In den nächsten Wochen sollte ihn diese Szene immer wieder einholen, fast verfolgen. Nicht so sehr das Bild dieser Frau in der sonderbaren Kulisse als vielmehr der Satz, den er zu ihr gesagt hatte: ›Bis ich entscheide, dass Sie zurückkommen können.‹
    »Ich muss erst mit dem Institut sprechen«, sagte sie, »Ich kann nicht einfach wegbleiben. Was soll ich denen sagen?«
    »Schon erledigt«, sagte Tretjak. »Ich habe eine gute Ausrede organisiert, eine Einladung. Sie kennen Giuseppe Moreno?«
    »Selbstverständlich«, sagte sie, »war mal Italiens berühmtester Physiker, seit Jahren auf der Liste für den Nobelpreis, muss schon über achtzig sein. Was hat der damit zu tun?«
    »Er hat Sie spontan zu einem Meinungsaustausch über Ihre Forschung eingeladen, ein bilaterales Kolloquium«, sagte Tretjak und lächelte. »Das konnten Sie nicht ablehnen, nicht wahr? Die Unterlagen sind auf dem Weg in Ihr Institut. Sie müssen nur noch eine E-Mail an Ihre Kollegen schreiben, dass Sie diese Einladung annehmen und sofort abreisen mussten.« Er schob ihr seine mit Füller beschriebenen Blätter über den Tisch. In seiner steilen, gleichmäßigen Handschrift waren die wichtigsten Dinge aufgelistet.
    »Moreno wohnt nicht direkt in der Bucht von Baratti«, sagte er, »eher fünfhundert Kilometer entfernt in Mailand, aber wen interessiert es, wo Sie wohnen? Er hat versprochen, tatsächlich einmal mit Ihnen zu telefonieren.«
    Nichts war einfacher gewesen. Auch bei den Herren Wissenschaftlern war Geld ein starkes Argument. Der legendäre Moreno brauchte immer Geld. Nach Tretjaks Informationen hatte er zwei Hobbys, die beide mit den Jahren immer teurer wurden: sehr junge Frauen und sehr alte Maseratis.
    Sophia Welterlin schüttelte nur müde den Kopf, fragte aber nichts, als ahne sie, dass sie die Antwort nicht würde hören wollen. Tretjak wusste, dass sie heute Nacht wach liegen würde in ihrem Hotelzimmer, dass sie die Gedanken sortieren und dass sich Widerstand in ihr regen würde. Plötzlich würde ihr das alles absurd vorkommen. Das war ganz normal. Sie würde versuchen, ihn anzurufen, um zu protestieren, um den Plan rückgängig zu machen. Aber sein Handy würde ihr nur immer wieder dieselbe Botschaft übermitteln: vorübergehend nicht erreichbar.
    »Ich brauche Ihre Wohnungsschlüssel, Autoschlüssel, Zugangskarten zum Institut«, sagte Tretjak jetzt. »Ich brauche alle Telefonnummern und Namen, die Sie irgendwo gespeichert haben.« Er hielt kurz inne, um sich zu vergewissern, dass diese Sätze sie erreichten. »Ich werde oft hier in Ihrer Wohnung sein, ich werde Ihre Post öffnen, in Ihre Schränke schauen.«

    Es war inzwischen später Nachmittag, in der Küche in der Rue Mantour war es relativ dunkel geworden. Die Sonne hatte sich hinter die Berge um Genf zurückgezogen. Die Schrift an den Wänden wirkte nun dunkelgrau. Fass die Vergangenheit nicht an … Im Halbdunkel lassen sich unangenehme Wahrheiten leichter aussprechen, dachte Tretjak. Das Gesicht der Frau gegenüber lag im Schatten, ihr Mund war ein dunkler Strich.
    »Sie sind mir noch etwas schuldig, Frau Welterlin«, sagte Tretjak, »das wissen Sie.«
    Sie nickte. »Keine Geheimnisse, ich weiß«, sagte sie leise. »Irgendwie muss das alles mit dieser alten Geschichte zu tun haben. Jetzt holt es mich ein.«
    Ein paar Minuten saßen sie sich schweigend gegenüber. Dann plötzlich beugte sich Sophia Welterlin vor, beugte sich weit über den Tisch und sagte ihm direkt ins Gesicht, in normaler Lautstärke: »Wissen Sie, wie oft er in meiner Phantasie auf dem Pflaster aufgeschlagen ist? Ich habe nie wirklich das Geräusch eines platzenden Schädels gehört. Aber glauben Sie mir, Herr Tretjak, ich kenne es trotzdem. Ich höre es jede Nacht, seit 25 Jahren.«
    Die Klingel an der Wohnungstür war altmodisch und so schrill, dass Tretjak erschrak, als das Geräusch in die Stille platzte. Sophia Welterlin zuckte buchstäblich mit keiner Wimper. Stattdessen wiederholte sie: »Jede Nacht, seit 25 Jahren.« Sie hielt ihren Blick starr auf Tretjak gerichtet, auch als sie schließlich aufstand und in der Diele die Gegensprechanlage betätigte. »Oui?«, hörte Tretjak sie auf Französisch sagen.

    Minuten später standen zwei Polizeibeamte in der Diele. Sie sprachen französisch und trugen die schönen dunkelblauen Schweizer Uniformen. Tretjak konnte sie durch die halb

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