Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)
offenstehende Küchentür sehen. Der Foxterrier bellte kurz.
»Sie sind Frau Welterlin?«, fragte der ältere der beiden Beamten.
»Ja.«
»Ist das Ihr Hund, Frau Welterlin?«
»Ja, vielmehr nein«, antwortete die Physikerin. Tretjak konnte jedes Wort verstehen.
»Frau Welterlin, gestern Mittag ist in der Fußgängerzone ein Foxterrier verschwunden, der vor einem Laden angebunden war. Sein Name ist Dany. Soeben ging ein Hinweis bei uns ein, dass wir ihn hier bei Ihnen finden würden.«
Tretjak hörte, wie Sophia Welterlin ein »Mon Dieu« entwich.
»Haben Sie diesen Hund gestohlen, Frau Welterlin?«
»Nein, er wurde … er ist … man hat ihn mir heute Nacht ins Schlafzimmer gesetzt. Es war … man ist eingebrochen.«
»Ein Einbruch … Können wir uns irgendwo setzen?«, fragte der Beamte, sein Ton wurde unangenehmer. Sophia Welterlin knipste das Licht an, als sie die Küche betraten. Als die Polizisten zuerst die aggressive rote Schmiererei und dann ihn, Tretjak, sahen, griff der Ältere an seinen Pistolengürtel und löste die Schnalle über der Waffe. Der andere trat sofort rückwärts zwei Schritte zurück, blieb in der Tür stehen. Tretjak wusste genau, warum. Überblick behalten, Fluchtweg sichern. Polizisten waren darauf trainiert, dass sich harmlose Situationen plötzlich verändern konnten. Und Tretjak begriff, dass seine Unterhaltung mit Sophia Welterlin vorerst beendet war.
»Bitte bleiben Sie ganz ruhig«, sagte der Beamte. Dann forderte er Tretjak auf, vom Tisch aufzustehen und sich ans Fenster zu Sophia Welterlin zu stellen. »Darf ich fragen, wer Sie sind?«
Sophia Welterlin begann zu reden, etwas zu schnell, etwas zu durcheinander. Versuchte zu erklären. Der Hund drückte sich eingeschüchtert an ihr Bein. Vertrauen, schoss es Tretjak in den Kopf, ist eine sonderbare Angelegenheit.
»Warum haben Sie heute Morgen nicht die Polizei gerufen?«, fragte der ältere Beamte, während er Tretjaks Ausweis studierte. Tretjak sah, wie er den Ausweis mit einem vielsagenden Blick seinem Kollegen reichte. Dann legte er wieder eine Hand auf die Waffe und sagte, jetzt auf Deutsch:
»Herr Gabriel Tretjak, bitte stellen Sie sich mit erhobenen Händen dort an den Küchenschrank. Ich werde Sie nach einer Waffe durchsuchen.« Tretjak gehorchte, und der Polizist trat vor und tastete ihn ab. »Seit gestern werden Sie von der Münchener Kriminalpolizei gesucht«, sagte er. »Wissen Sie das? Die Fahndung steht im Zusammenhang mit dem Mord an einem Polizeibeamten.«
Über die Schulter sah Tretjak das erschrockene Gesicht von Sophia Welterlin. »Nein, das wusste ich nicht. Warum hat man mich nicht einfach angerufen? Die haben dort meine Nummer.«
Der Genfer Beamte zuckte nur mit den Achseln und gab ihm zu verstehen, dass er sich umdrehen und die Hände herunternehmen konnte. »Ich muss Sie beide jetzt bitten, mitzukommen ins Präsidium. Dort können Sie alles erklären.«
Sonntag, 15. Oktober
(t 0 minus 47)
Es war schon nach Mitternacht, als Tretjak vor dem Hotel Beau Rivage aus dem Taxi stieg. Er trug immer noch die Sachen, mit denen er sich heute Morgen in Luzern ins Auto gesetzt hatte. Die Bluejeans, das weiße Hemd, das dunkelgraue Jackett, den schwarzen, leichten Mantel. Tretjak setzte sich an die Bar, bestellte einen Wodka Tonic. Sophia Welterlin hatte das Zimmer 111. Sie war den Vernehmungen und der Bürokratie schon früher entkommen. Er hatte nicht mehr mit ihr sprechen können. Tretjak überlegte, ob er sie noch anrufen sollte, entschied sich aber dagegen. Vielleicht schlief sie schon. Er dachte an ihre Worte über den platzenden Schädel des Professors, der sich vor 25 Jahren aus dem fünften Stock gestürzt hatte. Welche Rolle hatte die damalige Assistentin Sophia Welterlin dabei gespielt? Er schickte eine SMS. Gute Reise. Morgen Abend sitzen Sie am Strand. Grüßen Sie das Meer. T.
Der Einbruch in der Rue Mantour war nun polizeilich aufgenommen und zur schon vorhandenen Akte über die Belästigungen von Sophia Welterlin hinzugefügt. Fass die Vergangenheit nicht an … Wie gut, dass Welterlin die früheren Sendungen angezeigt hatte. Der Hund, der für ein paar Stunden Schubert geheißen hatte, war wieder in seinem richtigen Zuhause. Tretjak selbst hatte im Beisein einer Genfer Kriminalbeamtin mit einem ausgesprochen unangenehmen Kommissar in München telefoniert. Bendlin war sein Name. Das Gespräch wurde mitgeschnitten. Tretjak gab zu Protokoll, dass er keine Ahnung hatte, was es mit
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