Die Stunde des Reglers: Thriller (German Edition)
und lächelte. Er sah eigentlich recht sympathisch aus. »Herr Kanu-Ide, ich verfolge in dieser Angelegenheit mehrere Fährten. Was Sie betrifft, so haben Sie jetzt einen ganz klaren Auftrag: Sie werden die Wissenschaftler unter die Lupe nehmen. Und zwar alle, die damit zu tun haben könnten. Spionieren Sie den Kollegen im Institut hinterher, finden Sie raus, wer innerhalb des CERN aus welchen Gründen auch immer etwas gegen Ihr Projekt ›Casimir‹ oder gegen Frau Welterlin persönlich hat. Durchforsten Sie das Umfeld des Professors, der sich damals umgebracht hat, gibt’s da vielleicht irgendwen, der Rache nehmen will …«
»Wieso macht das eigentlich nicht die Polizei?«, fragte Kanu-Ide dazwischen, aber Tretjak ignorierte die Frage.
»Ich habe von einer Gruppierung von Wissenschaftlern erfahren«, sagte er, »die nehmen Sie bitte als Allererstes unter die Lupe. Alles Physiker, leugnen die Relativitätstheorie und sind sehr religiös. Nennen sich ›Anima‹, Seele. Ist alles oben im Computer. Die scheinen mir fanatisch und geheimbündlerisch genug. Spannen Sie Ihre White-Horse-Jungs ein, Herr Kanu-Ide, von mir aus Ihre Tante, mir egal, nur: Nehmen Sie es nicht auf die leichte Schulter. Sie würden es wirklich bereuen.« Tretjak sah auf die Uhr. »Es ist jetzt halb sieben. Ich gebe Ihnen 48 Stunden Zeit, um Resultate zu liefern. Übermorgen Abend komm ich zu Ihnen in diese Wohnung. Hier ist meine Handynummer. Rufen Sie an, wenn Sie früher etwas haben.« Er gab ihm einen Zettel.
Mit Füller beschrieben, dachte Kanu-Ide, wie vor hundert Jahren. »Haben Sie schon mal was von positiver Motivation gehört?«, fragte er. »Bis jetzt haben Sie nur gedroht …«
Da lächelte er wieder, dieser Tretjak. »Sie haben recht, beinahe hätte ich’s vergessen. Wenn Sie gute Resultate liefern, lassen wir Ihren Triumph richtig schick restaurieren. Und wir reden darüber, wobei ich Ihnen sonst noch helfen kann.« Er ließ den Motor an. »Bis übermorgen.«
»Okay«, sagte Gilbert Kanu-Ide, und plötzlich fiel ihm ein, dass er schon seit einer halben Stunde mit Amy vor dem Kino verabredet war. Merde. Er griff nach seinem Telefon und wollte sie anrufen, da sah er eine SMS von der Nummer, die Tretjak ihm gerade gegeben hatte. Ihre Kino-Verabredung habe ich übrigens absagen lassen, Sie mussten heute länger arbeiten. T. Der Mann war wirklich auf Draht.
Das hatte er an diesem verdammten Montag jedenfalls gedacht. Aber warum war er dann nicht erschienen wie verabredet? Warum war er die ganze Zeit nicht erreichbar gewesen? Was wurde hier gespielt? Wer war dieser Tretjak? Warum, warum nur hatte er, Gilbert, sich auf das Ganze eingelassen?
Kanu-Ide hatte seinen Teil der Verabredung erfüllt, mehr als das. Er hatte geackert wie ein Tier, sich sogar von einem White-Horse-Typen ein bisschen Speed und Koks besorgt, damit er nicht schlappmachte. Unmengen von Informationen hatte er zusammengetragen, am Ende wusste er, wer mit wem schlief im CERN und wer Schulden hatte. Die Familiengeschichte des unseligen Professors hatte er durch die Jahrzehnte verfolgt bis in die zweite deutsche Fußballbundesliga, zu einer lesbischen Enkelin. Alles Schrott, unbrauchbar, nichts dabei, was Frau Welterlin hätte bedrohen können … Aber er hätte diesem Tretjak alles präsentiert, allein schon um zu zeigen, was er draufhatte. Erst ganz zum Schluss hätte er die heiße Kohle auf den Tisch geworfen, doch, ja, er hatte ein Resultat, und zwar ein ziemlich brisantes. Diese Gruppierung, diese »Anima«-Leute, ja, das war die richtige Spur gewesen, aber nur die Spur, nicht das Ziel …
Der Mann in dem Arbeitskittel griff mit der freien Hand nach der Autotür und zog sie auf, ganz langsam, fast bedächtig. »Aussteigen«, sagte er auf Deutsch.
Kanu-Ide blieb sitzen und starrte in die Mündung der Waffe. Er wollte sagen: ›Ich kann nicht.‹ Aber er konnte nicht mal das.
»Aussteigen«, wiederholte der Mann. Und plötzlich spürte Kanu-Ide, dass sich seine Beine aus dem Wageninneren schraubten, und dann stand er auf einmal doch. Stand auf dieser sonnendurchfluteten Waldlichtung, irgendwo in den Bergen über Genf, ein Specht hämmerte in der Stille, das Metallrohr des Schalldämpfers war grau, und dieses matte metallische Dunkelgrau war etwa zehn Zentimeter vor ihm und zeigte auf seine Stirn.
Killer. Das hatte der Physiker von »Anima« gesagt. »Ja, wir haben das angefangen, diese Aktion Fass die Vergangenheit nicht an. « Er hatte es sofort
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