Die Stunde des Schakals (German Edition)
Fragen stellen. Barnard hat sich nach dem Besuch des Richters nämlich an die Wachen gewandt. Richter Fourie habe ihm mit einem gewaltsamen Tod gedroht. Natürlich hat das niemand ernst genommen. Bis Barnard ein paar Stunden danach wirklich tot war. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir möchten Ihrem Richter keineswegs irgendetwas unterstellen …»
«Ex-Richter», sagte Clemencia.
«… uns würde nur interessieren, was zwischen ihm und Barnard wirklich abgelaufen ist.»
Das würde Clemencia auch interessieren. Brennend sogar.
«Leider hat es Herr Fourie ziemlich eilig gehabt, unser schönes Land wieder zu verlassen», sagte der südafrikanische Kollege. «Wenn ich Sie etwas früher erreicht hätte, hätten Sie ihn vielleicht noch am Flughafen Windhoek abfangen können.»
«Ich gebe Ihnen Bescheid», versprach Clemencia. Sie ließ sich die Durchwahl des Kollegen geben, legte auf und rief sofort auf Fouries Farm an. Die Haushälterin sagte, dass der Richter vor einer Viertelstunde angekommen sei. Er stehe gerade unter der Dusche. Ob es denn sehr wichtig sei?
«Nein, nein», sagte Clemencia. «Ich melde mich später wieder.»
Dann ging sie zu Angula, doch der bat sie, einen der anderen mitzunehmen. Er müsse noch unbedingt ein paar Schriftstücke sichten, ohne die … Clemencia stürmte hinaus. Robinson verhörte den Angolaner, van Wyk war nirgends aufzufinden. Blieb also nur Tjikundu.
«Steck deine Waffe ein und komm mit!», sagte Clemencia. Ex-Richter Fourie hatte bei ihrem ersten Besuch alles andere als gefährlich gewirkt. Dennoch hätte sie kein gutes Gefühl gehabt, ihm jetzt allein gegenüberzutreten.
Der Tisch war ein ausrangierter Campingtisch, dessen defektes Klappscharnier mit zwei festgezurrten Lattenstücken geschient war. Auf ihm standen ein paar Plastikteller. Er fegte sie mit dem Unterarm auf den Boden und stellte seine blaue Tasche auf der zerkratzten Kunststoffplatte ab. Dann zählte er das Geld auf den Tisch. Immer zehn Hundert-Rand-Scheine übereinander und daneben den nächsten Stapel. Er hustete zur Seite hin.
Mandisa Khawuta stand zwei Meter entfernt und schaute stumm zu. Mit ihren Armen umfasste sie ihre Kinder, drückte sie an sich, zwei links, zwei rechts. Es sah aus, als wolle sie die Kleinen vor irgendetwas schützen. Oder ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie alle für immer zusammengehörten, was auch passieren möge. Natürlich war das Unsinn, aber er war nicht hier, um einer Xhosa-Familie die Welt zu erklären. Einer Frau und vier Kindern, deren Schicksal ihn nicht mehr und nicht weniger interessierte als das von irgendwelchen dummen Buren. Er hatte nur ein Geschäft abzuwickeln.
Die Meldung über den Tod Barnards hatte er in den Fernsehnachrichten am Busbahnhof gehört. Die Bilder dazu hatten die Front des Pretoria Central Prison gezeigt. Über die beiden Zäune hinweg. Die Freiflächen dazwischen gaben das Schussfeld für die Wachen ab, die in den Betonansitzen über der Fassade saßen. Ein hoher Gitterzaun schloss das Flachdach ab. Natürlich waren auch die Fenster vergittert.
Wer dort einsaß, wurde besser bewacht als jeder Staatspräsident. Keine Chance auszubrechen, keine Chance einzubrechen! Doch sterben konnte man überall. Da eignete sich ein Platz so gut wie der andere. Der Tod holte sich, wen er wollte und wo er es wollte.
«Brother …», sagte die Frau zögernd.
Er legte den Zeigefinger über die Lippen. Was immer sie sagen wollte, er wollte es nicht hören. Er überflog die Stapel auf dem Tisch. Sechsundzwanzig, siebenundzwanzig, achtundzwanzig. Noch zweitausend Rand. Er war nur ein Geldbote.
«Thomas, mein Mann, ist immer ein Scheißkerl gewesen», sagte die Frau, «hat sich nie um eine Arbeit bemüht, lungerte herum, soff, schlug mich und die Kinder, wann es ihm passte.»
Er hustete. Er zählte zehn weitere Hunderter ab. Er war der Bote des Todes. Mit dem, was anderen am Leben behagte oder nicht behagte, hatte er nichts zu schaffen. Er war der Engel, der kurz aus dem Jenseits vorbeischaute wie ein schwarzer Schatten. Und unerklärlicherweise warf er manchmal Licht in armselige Blechhütten. Die Vorstellung gefiel ihm.
«Dass Thomas das für uns tut, hätte ich nicht gedacht», sagte die Frau. Plötzlich tat sie ihm doch leid.
«Hör zu!», sagte er. «Sie werden kommen. Sie werden dich ausfragen, wieso du auf einmal so reich bist. Sie werden eins und eins zusammenzählen, dir das Geld wegnehmen und es als Beweismittel beschlagnahmen.»
Er
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