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Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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legte die letzten tausend Rand auf die Tischplatte und musterte das Elend um sich herum. Die zerschlissenen Matratzen auf dem gestampften Boden, die Tüte Maismehl neben dem Plastikkanister voll trübem Wasser, die umgedrehten Sperrholzkisten, die als Stühle dienten. Er machte zwei Schritte nach vorn und trat die Wellblechwand zwischen zwei Pfosten nieder. Das Licht der Abendsonne flutete herein. Er sagte: «Vielleicht solltest du das Geld und deine Kinder einpacken und abhauen, bevor sie da sind.»
     
    «Wenn man die Farmer so reden hört, ist es allerhöchste Zeit, dass der Regen endlich kommt. Und zwar guter Regen, nicht nur ein paar Tropfen, die in der knistertrockenen Luft aufgesogen werden, bevor sie auch nur die Chance haben, ins Erdreich einzudringen. Dicke graue Wolken seien nötig, die Schleusen des Himmels müssten sich öffnen, eine kleine Sintflut sollte herabstürzen. Eine Woche oder zwei müsste es schon regnen, damit das Gras zu sprießen begänne und die gelben Morgensterne blühten und Vieh wie Wild zu fressen fänden.
    Mit jedem Tag, den die Niederschläge ausbleiben, wachsen Verzweiflung und Aberglauben, setzen die Farmer mehr auf die angeblich untrüglichen Vorzeichen, die das Ende der Dürre ankündigen sollen. Schlägt da nicht der Diederichs-Kuckuck, der Regenvogel par excellence, gerade an? Oder ist es doch bedeutungsvoller, dass sich überall die Erdkröten vernehmen lassen? Manchen scheint ganz sicher, dass der erste Vollmond des neuen Jahres die Wende bringen wird, noch dazu, da der Mond schon in den vergangenen Nächten einen deutlich erkennbaren Hof sehen ließ. Und wenn alles nichts hilft, kann man immer noch auf Kaisers Geburtstag am 27. Januar hoffen, vorausgesetzt, man ist ein alteingesessener deutschstämmiger Südwester, der heimlich in Schwarz-Weiß-Rot träumt.
    Doch selbst wenn es endlich regnete, wäre noch nichts gewonnen. Der Regen geht nämlich – wie jeder Farmer sofort bestätigen wird – immer und ausnahmslos auf den Nachbarfarmen nieder, während auf dem eigenen Grund und Boden ein Fluch zu liegen scheint. Also würde es logischerweise auch nirgends regnen, wenn es regnete. Man muss sich nur wundern, dass die Farmen überhaupt noch existieren, dass Kudu, Oryx und Springbock nicht schon vor Ewigkeiten ausgestorben sind. Apropos Springbock …» Ex-Richter Fourie bat seine Haushälterin, für die Gäste von der Polizei ein wenig von dem selbsthergestellten Wildrauchfleisch zu holen, und plapperte dann munter weiter. Über den ausbleibenden Regen. Über das Gejammere der Nachbarn, die seit drei Generationen dieses Land bestellten und immer noch nicht akzeptiert hatten, dass es sich dabei um eine Halbwüste handelte und nicht um eine satte Weide in Ostfriesland oder in den bayerischen Voralpen.
    Tjikundu saß etwas seitwärts und hielt sein Glas Eistee mit beiden Händen umklammert. Der barfüßige Junge hockte auf der Verandabrüstung und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Seine Schwester war nirgends zu sehen gewesen, aber er hatte ihnen wieder das Tor geöffnet. Seine Augen hatten gestrahlt, als wisse er genau, dass Clemencia nur seinetwegen gekommen sei. Sobald er jedoch bemerkt hatte, dass Tjikundu eine echte Pistole bei sich trug, war Clemencia nur noch zweite Wahl gewesen. Tjikundu hatte mit der unverhohlenen Bewunderung erst nicht recht umzugehen gewusst und sich dann für eine unbeteiligt-coole John-Wayne-Miene entschieden. Die passte auch zu seinem Auftrag, denn Clemencia hatte ihm eingeschärft, er solle sich zurückhalten und sie machen lassen.
    Bisher hatte sie allerdings noch nichts gemacht. Sie hatte dem Redeschwall des Richters ruhig zugehört. Doch nun war Schluss. Fourie hatte lange genug Zeit gehabt, von sich aus ein paar Dinge richtigzustellen, wenn es etwas richtigzustellen gab. Er wusste schließlich, mit welchen Ermittlungen sie befasst war, und konnte nicht so tun, als ginge es sie nichts an, dass er Ferdi Barnard aufgesucht hatte. In ein Luftholen Fouries hinein fragte Clemencia: «Wie war es in Südafrika?»
    «Zu viele Menschen, zu viele Autos, zu viel Krach. Immerhin hat es dort tatsächlich geregnet und …»
    «Waren Sie auch in KwaZulu-Natal?»
    «Mir hat schon Pretoria gereicht.»
    «Haben Sie Freunde besucht?»
    «Freunde? Eher einen Bekannten, aber …»
    «Herr Fourie», sagte Clemencia, «ich möchte jedes Wort wissen, das Sie mit Ferdi Barnard gewechselt haben.»
    Einen Moment lang wirkte der alte Herr überrascht. Dann

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