Die Stunde des Spielers
Junggesellenabschiedsparty auswichen. Junge Männer, laut, mit Bierdosen in der Hand. Die Gruppe schwirrte um einen Typen in ihrer Mitte herum; schwer; zu sagen, ob sie ihn anstachelten oder mitschleiften. Er sah ein wenig benommen aus. Ben und ich traten so weit an den Bordstein wie möglich, und sie drängten an uns vorüber, wie ein Rudel, das auf Raub aus war.
»Wenn all das stimmt«, sagte Ben, »was willst du dann dagegen unternehmen? Eine Befreiungsaktion inszenieren?«
»Deshalb möchte ich mit Balthasar reden und in Erfahrung bringen, was Sache ist. Dann - ich weiß es nicht.« Doch ja, je nachdem, wie das Interview verlief, würde ich vielleicht tatsächlich eine Befreiungsaktion organisieren müssen.
Acht
Zu meinem Treffen mit Odysseus Grant im Diablo nahm ich ein Taxi. Diesmal war ich allein unterwegs. Ben wollte am Nachmittag ein wenig Poker spielen. »Üben«, sagte er, »für das morgige Turnier.« Ich hatte versprochen, nicht daran herumzumeckern, wie er seine Freizeit gestaltete, während ich für die Sendung arbeitete, also sagte ich auch nichts dazu. Allerdings erinnerte ich ihn daran, dass wir am Abend mit meinen Eltern zum Essen verabredet waren.
Man hatte mich angewiesen, an der Theaterkasse im Diablo Theater nach Odysseus Grant zu fragen. Die Kartenverkäuferin schickte mich zum Theatereingang. »Er ist auf der Bühne und übt. Gehen Sie einfach hinein.«
Irgendwie war es weniger aufregend, irgendwo herumzuschleichen, wenn man die Erlaubnis dazu hatte.
Das leere Theater wirkte größer und einsamer als gestern. Sämtliche Lichter brannten, und die Vorhänge waren offen, so dass die Bühne nicht nach der Kulisse für eine Show aussah, sondern nach einem gähnend leeren Lagerhaus. Auf dem Boden konnte ich die Klebebänder sehen, mit denen Punkte markiert waren, außerdem Kratzer und abgestoßene Stellen. Laufstege und Scheinwerferbrücken waren ebenfalls sichtbar. Einige größere Requisiten für die Show standen hinten auf der Bühne herum, wo sie im hellen Licht der Lampen verloren wirkten. Weniger geheimnisvoll.
Mitten auf der Bühne, neben einem kleinen Klapptisch, stand Odysseus Grant. Auf dem Tisch befanden sich ein paar Requisiten: ein Zylinder, ein Glas Wasser, etwas, das nach Tüchern aussah, und eine gefaltete Zeitung. Grant, in einem weißen Hemd mit offenem Kragen, die Ärmel hochgekrempelt, und dunkler Hose, war gerade dabei, Karten zu mischen. Er vollführte eine Reihe Tricks so schnell hintereinander, dass seine Hände nur undeutlich wahrzunehmen waren. Nachdem er eine Karte gezogen hatte, zeigte er sie den leeren Sitzreihen, mischte, zog dieselbe Karte wieder hervor. Und wieder und wieder. Jedes Mal mischte er die Karten anders. Einmal zuckte er zusammen, schüttelte kaum merklich den Kopf und vollführte den gleichen Trick noch einmal. Und noch einmal. Mir war an dem, was er getan hatte, kein Fehler aufgefallen.
Ich ging auf die Stufen zu, die zur Bühne führten. »Mr Grant? Ich bin Kitty Norville. Danke, dass Sie sich zu einem Gespräch bereit erklärt haben.«
Er mischte die Karten ein letztes Mal - wobei er sie mit einer Hand emporwarf, so dass sie sich in der Luft auffächerten und sauber und ordentlich in seiner anderen Hand landeten. Ein alter, bekannter Trick, doch ich hatte ihn noch nie direkt vorgeführt bekommen. Die Karten wisperten durch die Luft.
»Ja, ich weiß, wer Sie sind.« Er warf mir einen Seitenblick aus seinen eiskalten blauen Augen zu.
»Die Frau vorne hat mir gesagt, dass Sie üben. Sie machen das jeden Abend, das muss doch genug Übung sein, würde ich meinen.«
»Nein. Man hört nie mit dem Üben auf. Man muss immer neue Tricks finden, in Bestform bleiben. Ansonsten veraltet man.« Er legte die Karten beiseite und drehte dann seine Hand, in der auf einmal eine Münze war. Dann noch eine und noch eine. »Ich fürchte, ich habe bloß ein paar Minuten. Worüber möchten Sie sich unterhalten?«
»Es geht das Gerücht um, dass Ihre Zauberei echt ist.«
Er vollführte weiterhin Kunststücke, pflückte Münzen und Tücher aus der Luft, stopfte sie alle in den Hut, zog ein zweites Glas Wasser hervor.
»Sie reden nicht um den heißen Brei, was? Gleich zur Sache.«
»So bin ich nun mal«, sagte ich.
»Es ist ein nützliches Gerücht. Besonders in letzter Zeit. Wahrscheinlich habe ich mich da wohl bei Ihnen zu bedanken. Die Leute sind heutzutage bereit, sehr viel zu glauben.«
»Und ist sie es? Echt, meine ich.«
Er schenkte mir ein Lächeln,
Weitere Kostenlose Bücher