Die Stunde des Spielers
anschauen? Bei solchen Shows kann man die Tiere manchmal tagsüber besichtigen, in ihrer natürlichen Umgebung.«
Sie schüttelte den Kopf. »Die Show kostet sie viel Kraft, also besteht Balthasar darauf, dass sie sich ausruhen können.«
»Und Balthasar? Wie ist der so?«
Das Gesicht dieser Frau war so ausdrucksstark. Diesmal verdrehte sie die Augen und schmolz zu einem verpackten Lächeln der Bewunderung dahin. »Er ist ja so toll! Er sieht klasse aus. Man merkt es nicht, wenn er nicht direkt vor einem steht, aber oh mein Gott! Es gibt Leute, die die Show wieder und wieder besuchen, bloß um ihn zu sehen.«
»Gibt er Interviews? Ich heiße Kitty Norville, und ich moderiere eine Radiosendung. Ich bin ständig auf der Suche nach interessanten Geschichten, und das hier könnte genau mein Fall sein ...«
Ihr Gesicht nahm die undurchdringliche Miene einer professionellen Türhüterin an. Einer treu ergebenen Türhüterin, die ihren Arbeitgeber bis aufs Letzte beschützen würde. »In dem Fall muss ich Sie an die Pressestelle verweisen. Aber Balthasar ist ein viel zu beschäftigter und zurückgezogen lebender Mensch, um sich mit Ihnen unterhalten zu können.«
»Zurückgezogen? Er ist der Frontmann einer Bühnenshow in Vegas«, sagte ich. »Ich kann ihm tolle Publicity verschaffen ...«
»Es tut mir leid, da kann ich Ihnen wirklich nicht weiterhelfen. Rufen Sie in der Pressestelle an.«
Ich erkannte eine Sackgasse, wenn ich eine vor mir sah. Also zog ich eine Visitenkarte hervor und legte sie auf die Theke. »Vielleicht könnten Sie die dem Stagemanager oder sonst jemandem zukommen lassen, der sie an ihn weitergeben kann. Ich hoffe wirklich, dass ich es schaffe, mir die Show am Wochenende anzusehen.«
Widerwillig sah sie die Karte an, nahm sie aber entgegen. Die Karte war mit dem Logo von KNOB versehen, also wusste sie zumindest, dass ich die Wahrheit sagte. Nicht dass ich darauf gewettet hätte, dass die Karte tatsächlich in Balthasars Hände gelangen würde. Das war okay. Viele Wege führen nach Rom. Oder zu einem Katzendompteur in Vegas.
Ich gesellte mich zu Ben bei den Theatertüren und atmete langsam ein, um möglichst alles an dem Ort zu wittern.
Der Bereich war öffentlich zugänglich und gut besucht. Unter dem Geruch nach Teppichreiniger witterte ich Menschen, Überreste von Parfüm und Aftershave, Hunderte warmer Körper, die durch diese Türen gegangen waren, und unter allem lauerte ein moschushafter Katzengeruch. Katzenartig, aber anders. Charakteristisch, inklusive Fell und Haut.
»Verschwinden wir«, sagte Ben. »Das hier macht mich nervös.«
Wir redeten kein Wort, bis wir wieder draußen waren, auf dem von der Sonne ausgedörrten Pflaster und in der abgasverpesteten Luft. Ich atmete tief ein und lächelte. Nach der abgeschlossenen Umgebung des Hanging Gardens fühlte sich sogar der bevölkerte, verkehrsreiche Strip wie weites, offenes Gebiet an. Wir gingen zum Olympus zurück.
»Ich weiß nicht recht, ob ich mir ihre Show ansehen möchte«, sagte Ben, nachdem er zusammen mit mir einen tiefen Atemzug getan hatte. »Es wäre einfach seltsam.«
»Und keiner weiß davon. Sie haben es geheim gehalten. Natürlich weiß Dom Bescheid - aber wow! Welch Story.« Doch ich würde damit nicht an die Öffentlichkeit gehen, wenn Balthasar dagegen war. Ich hatte zu viel Respekt vor den Anstrengungen, die es kostete, eine lykanthropische Identität zu verheimlichen, um jemand anderen zu outen. Ein bisschen so wie man mich geoutet hatte. Allerdings wollte ich unbedingt mit Balthasar sprechen, um herauszufinden, wie die Sache angefangen hatte, warum sie es machten - und wie.
Nachdenklich runzelte ich die Stirn. »Ich frage mich ...«
»Hm?«
»Funktioniert die Truppe wie ein Rudel? Falls Balthasar ebenfalls Lykanthrop ist...« - und bei dem Blick in seinen Augen, selbst auf dem Bild, ging ich jede Wette ein, dass dem so war - »ist er der Alpha? Und wenn beide Umstände zutreffen, meinst du, die Darsteller nehmen freiwillig an der Show teil? Oder werden sie gezwungen?«
»Wie? Als würde ihnen jemand eine Kanone an den Kopf halten oder so?«
»Wir haben mit angesehen, wozu ein sozial gestörtes Rudel fähig ist. Wenn der Alpha sie eingeschüchtert hat, ja, dann wollen sie es vielleicht gar nicht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich ein Lykanthrop aus freien Stücken verwandelt und auf diese Weise auftritt.«
Wir gingen ein paar Häuser weiter, wobei wir einer potenziellen
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