Die Stunde des Spielers
unddreißig Jahren verheiratet und hielten immer noch in der Öffentlichkeit Händchen. Ich konnte nur hoffen, es genauso gut zu treffen.
Ich ließ mich ihnen gegenüber auf einen leeren Platz in ihrer Sitznische gleiten. »Hi. Tut mir leid, dass ich spät dran bin.«
Meine Mutter Gail strahlte. »Ist schon gut. Wir haben einfach etwas bestellt und unterhalten uns prima. Mir war gar nicht bewusst, wie sehr ich mich auf diese Reise gefreut habe. Ich bin so froh, dass Dr. Patel gemeint hat, dass ich kommen kann.«
Mom trug eine Perücke. Wenn man es nicht wusste, war es ihr nicht anzusehen, denn die Perücke hatte den gleichen angegrauten, aschblonden Farbton wie ihre echten Haare und war von guter Qualität. So war Mom eben - geschmackvoll und sehr gefasst, und von einer Kleinigkeit wie Krebs würde sie sich ganz gewiss nicht ihre Welt auf den Kopf stellen lassen. Sie trug eine hellblaue Bluse mit einem Rock und bequem aussehende Sandalen. Ihre üblichen Pumps gegen die Wandersandalen einzutauschen, war das einzige andere Zugeständnis an ihre Krankheit.
Im Moment sah sie allerdings nicht krank aus. Ihre Wangen hatten Farbe, und sie lächelte meinen Vater Jim an; ein großer, athletischer Mann mittleren Alters. Er trug ein Polohemd und eine Bundfaltenhose und strahlte meine Mutter bewundernd an.
»Wir sind gleich nach unserer Hochzeit für ein Wochenende hier gewesen. Es war eine Art Jux - wir wollten eigentlich nicht zwanzig Jahre auf unsere zweiten Flitterwochen warten. Daran haben wir uns eben wieder erinnert.«
Nach all der Zeit gab es immer noch Dinge, die ich nicht über meine Eltern wusste. Hauptsächlich Dinge, die ich gar nicht wissen wollte. »Ich habe das Gefühl zu stören«, sagte ich. »Soll ich gehen?«
Mom bedachte mich mit ihrem »Sei nicht albern«-Blick. »Die Stadt hat sich seitdem so verändert«, fuhr sie fort. »Das war, bevor die ganzen Themenhotels gebaut wurden. Jetzt ist es wie ein großer Vergnügungspark.«
»Wo ist Ben?«, fragte mein Vater und sah sich um, als verstecke sich mein Verlobter, und als sei es nicht völlig offensichtlich, dass ich allein eingetroffen war.
Beim Glücksspiel wie ein billiger kleiner Zocker. »Er sollte jeden Moment hier sein«, sagte ich stattdessen.
»Oh, als dein Vater und ich hierherkamen, waren wir unzertrennlich. Man hat uns keinen Augenblick voneinander losreißen können.« Da war es auch schon, sie sahen einander verliebt an.
»Tja, ihr habt ja auch nicht versucht, gleichzeitig eine Fernsehsendung auf die Beine zu stellen«, murmelte ich.
»Das stimmt, und ich bin mir sicher, dass die Show einfach toll sein wird. Ich kann es gar nicht erwarten, sie mir anzusehen. Und wie sieht es mit den Hochzeitsplänen aus?«
Die eigentliche Priorität an diesem Wochenende. Falls Ben natürlich in dem Turnier besser abschnitt, als er glaubte, würden wir vielleicht stattdessen das Finale aus nächster Nähe verfolgen. Aber war das denn nicht das Schöne an Vegas? Wir konnten heiraten, wann immer wir wollten - wir mussten bloß eine Drive-Through-Kapelle finden. Meine Mutter würde ausflippen. »Alles paletti, bloß dass sie um sechs statt um zwei stattfindet.« Bitte fragt nicht nach dem Grund ...
»Ach? Hat es ein Problem mit dem früheren Termin gegeben?«, fragte Mom.
»Nein.« Ich zuckte mit den Schultern und versuchte, cool zu bleiben. »Es hat so nur besser gepasst.«
»Und du hast ein Kleid?«
»Es hängt im Schrank auf meinem Zimmer.«
»Und einen Fotografen? Was ist mit einem Fotografen ...«
»Mom, deshalb haben wir uns für Vegas entschieden. Wir müssen nichts tun, außer da zu sein. Die Kapelle kümmert sich um alles. Es gibt dort sogar eine Torte.«
Sie seufzte und sah alles andere als überzeugt aus. Auf einmal hatte ich das Gefühl, sie beraubt zu haben, indem ich sie nicht bei der Planung einer großen Hochzeit hatte helfen lassen.
Ich hielt mir die Schläfen. »Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich in Las Vegas heirate, okay?«
Mom bedachte mich mit einem Blick. »Darum habe ich dich auch nicht gebeten.«
»Wieso habe ich dann das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen?«
»Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass du hierbei ganz ohne schlechtes Gewissen wegkommen würdest, oder?«, fragte mein Vater, als habe er meine Gedanken gelesen. Er grinste boshaft, und ich verdrehte die Augen.
Da erhaschte ich einen vertrauten Geruch, hörte Schritte und sah, wie Ben durch den Eingang des Restaurants trat. Mir war gar
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