Die Stunde des Spielers
das sein zerfurchtes Gesicht schelmisch erstrahlen ließ. »Sie sehen mir jetzt seit fünf Minuten zu. Was meinen Sie?«
Hey, eigentlich sollte ich hier die Fragen stellen! Ich wechselte das Thema. »Vielleicht ist Ihnen zu Ohren gekommen, dass ich heute Abend eine im Fernsehen übertrag ene Version meiner Sendung mache. Bühne, Publikum, mit allem Drum und Dran. Ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht dort auftreten möchten, vor dem Publikum ein paar Tricks vorführen, über Ihre Show sprechen. Es wäre tolle Reklame für Sie. Ich habe ein ziemlich großes Publikum, das wahnsinnig gern sehen würde, was Sie können.«
Er schüttelte bereits den Kopf. »Ich brauche keine Reklame. Das mag jetzt ein Schock sein, aber ich strebe keinen großen Ruhm oder Erfolg an. Ich habe meine bescheidene Show, meine bescheidenen Talente. Mehr brauche ich nicht.« Er drehte eine Hand um, die eben noch leer gewesen war, und auf einmal steckten vier Silberdollars zwischen den Fingern.
»Dann werden Sie es vielleicht tun, weil ich Sie nett darum gebeten habe? Bitte?« Letztlich schaffte ich es, fast jeden zu zermürben.
»Ich bin gewillt, mich ein paar Minuten mit Ihnen zu unterhalten, aber nicht, in Ihrer Sendung aufzutreten. Die paar Minuten sind fast vorbei.«
Okay, schön. Dann wäre das eben ein Projekt für die Zukunft.
Lächelnd lenkte ich ein. »Also. Ihre Show ist ziemlich retro. Der Smoking, das Kaninchen im Hut, die Tricks der alten Schule. Ein Teil Ihrer Ausrüstung sieht sogar antik aus.« Ich nickte in Richtung der Art-déco-Truhe, in der er Leute zum Verschwinden brachte.
»Vieles ist auch antik«, sagte Grant, immer noch zurückhaltend. Geheimnisvoll - war das Teil der Show, oder war er einfach so? »Ich habe es von einem alten Varietezauberer geerbt. Er lebte in der Nachbarschaft, in Rhode Island, wo ich aufgewachsen bin. Den Kindern erzählte er immer alle möglichen Geschichten. Doch ich hörte ihm am besten zu, also brachte er mir seine Tricks bei. Als er starb, war er uralt, über hundert, glaube ich. Ich war achtzehn, und er hinterließ mir die Schlüssel zu einem Depot. Dort befanden sich seine Ausrüstung und Requisiten, seine Bücher, Aufzeichnungen, alles. Ich hatte wohl das Gefühl, in gewisser Weise sein Erbe anzutreten. Wenn ich schon Kunststücke auf der Bühne vorführte, wollte ich es auf eine Art und Weise machen, die er gebilligt hätte.«
Ich schlenderte herum, gewann an Mut, als er mich nicht aufhielt. Da war die Kiste, in der er sich das eigene Bein absägte und es dann wieder anbrachte. Der schwebende Stuhl - ich suchte nach Drähten, konnte aber keine entdecken.
»Wie schaffen Sie es, dass die Leute Sie nicht einfach als Nostalgie-Show abtun?«
»Aber das ist ja gerade der Reiz. Viele sogenannte Zauberer heutzutage bedienen sich so vieler Spezialeffekte, Pyrotechnik und Schauspielerei, oder sie treten hauptsächlich im Fernsehen auf. Das Publikum ist so geblendet und abgelenkt, dass es allmählich alles für Spezialeffekte hält. Viele Leute, die sich meine Show ansehen, haben die klassischen Tricks noch nie live erlebt. Das sind die Leute, die sich fragen, wie ich es mache, ohne die ganzen blendenden Effekte.«
»Fingerfertigkeit, Fertigkeit des Geistes?«
»Etwas in der Richtung. Ein großer Teil spielt sich in den Köpfen ab. Optische Täuschungen und Tricks, die dem Warnehmungsvermögen gespielt werden.«
»Dann mal abgesehen von der Frage, ob in Ihrer Show echte Magie zum Einsatz kommt oder nicht - glauben Sie an echte Magie?«
Er schlug sein Kartenspiel in ein Seidentaschentuch ein und steckte sich das Bündel in die Hosentasche. »Welche Art?«
»Welche Arten gibt es denn?«
»Ein paar. Es gibt wilde Magie, alles, das man beobachtet, und das gegen die physikalischen Gesetze zu verstoßen scheint. Dinge, die verschwinden und wieder auftauchen. Wenn man etwas auseinandersägt und dann wieder zusammenfügt. Dann gibt es Magie, die ein Ritual erfordert: Zeremonie, Zaubersprüche, die richtigen Instrumente, den richtigen Gesang. Sagen wir beispielsweise, wenn Jesus Christus Wasser in Wein verwandelt, handelt es sich um wilde Magie, und das katholische Wunder der Transsubstantiation - der Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi - ist rituelle Magie, weil sie der Messfeier bedarf. Vorausgesetzt, man glaubt an so etwas.«
»Glauben Sie daran?«
»Glaube ich, dass es Dinge auf der Welt gibt, die sich nicht erklären lassen? Ja. Meine Beispiele sind vielleicht ein
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