Die Stunde des Spielers
tatsächlich so etwas wie schlechte Publicity. Das wollte ich auf keinen Fall.
Ich holte tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen. »Das wird schon.«
»Ich bin gleich hier, falls du mich brauchen solltest.«
Ich drückte seine Hand. Das half wirklich. »Danke.«
Ich hielt es nicht länger aus. Von der anderen Seite des Vorhangs drangen Geräusche herüber. Geräusche wie von einer Menschenmenge. Ich musste nachsehen. Nachdem ich mich vorsichtig an den Vorhang geschoben hatte, zog ich ihn ein Stück zurück und spähte nach draußen.
Der Laden war beinahe voll. Ich sah ein paar leere Plätze und ein paar Leute, die die Reihen entlanggingen. Es herrschte donnerndes Stimmengewirr.
Schnell wich ich zurück und stieß mit Ben zusammen. »Oh mein Gott. Es ist voll. Der Laden ist ausverkauft.«
»Das ist gut, oder etwa nicht?«
»Es ist großartig. Es ist fantastisch. Ich glaube, ich überlebe das nicht.«
Er versuchte, mich aufzumuntern. »Bist du denn noch niemals auf der Bühne gestanden? Du wirkst wie jemand, der auf der Highschool viel Theater gespielt hat.«
Nicht dass ich daran erinnert werden wollte. »Ich habe bei einem Stück mitgemacht. Annie Get Your Gun. Ich war eine tanzende Indianerin während des politisch nicht sehr korrekten Indianersongs.«
Er sah skeptisch aus. »Du hast eine Indianerin gespielt? Kitty, du bist blond.«
»Ich habe eine Perücke aus schwarzer Wolle getragen. Auf meiner Highschool herrschte ethnischer Einheitsbrei, okay?«
Eine Frau mit einem Headset, die Stagemanagerin, signalisierte mir. »Du bist in zwei Minuten dran, Kitty.«
»Danke.«
Noch mal tief Atem holen. Aber nicht zu tief. Sonst würde ich noch hyperventilieren.
»Also«, sagte ich. »Wie viele Leute sind deiner Meinung nach da draußen mit Silberkugeln in ihren Kanonen und warten darauf, mich abzuknallen?« Wie zum Beispiel Boris und Sylvia?
Er bedachte mich mit einem Blick. »Ich wünschte, du hättest das nicht gesagt.«
»Ha! Ich bin nicht paranoid, du hast auch daran gedacht.«
Er presste die Lippen zusammen und sagte kein Wort.
Die Stagemanagerin gab mir erneut ein Zeichen. »Es ist so weit.«
Tief einatmen. Im Geiste ging ich noch einmal mein Intro durch, stellte mir vor, wie ich da hinausging und einfach genial war. Kein Problem.
Ben küsste mich rasch. »Mach sie fertig.«
»Danke.«
Ich trat ins Scheinwerferlicht, als wüsste ich, was ich tat.
Neun
Wir waren nun schon seit einer Stunde auf Sendung, und niemand hatte auf mich geschossen. Das hielt ich für ein
gutes Zeichen.
Senator Harry Burger aus Nevada, der neben mir auf dem stilvollen Bürostuhl saß, den wir für meine Gäste aufgestellt hatten, war ein klassischer Politiker aus dem Westen der Vereinigten Staaten, komplett mit Cowboyhut und -stiefeln, großer silberner Gürtelschnalle und dazu passendem großspurigem Auftreten. Ihm machte keiner etwas vor, wenn es darum ging, den zweiten Zusatzartikel zur Verfassung - das Recht auf den Besitz und das Tragen von Waffen - zu verteidigen und auf die Politik in Washington zu schimpfen.
Er erläuterte gerade, weshalb er einen Gesetzesentwurf auf Bundesstaatenebene eingebracht hatte, laut dem Hellseher, Vampire und jeder andere mit übernatürlichen Fähigkeiten Spielverbot in den Casinos von Nevada erhalten sollte.
»Hier im wunderbaren Staat Nevada nehmen wir die Sicherheit unserer Casinos - und unserer Gäste - sehr ernst. Wenn Betrüger gewinnen, verlieren alle anderen, das ist unser Motto. Deshalb gibt die Glücksspielindustrie sich große Mühe sicherzustellen, dass diese Leute keinen Erfolg haben. Hierbei handelt es sich schlicht und einfach um Betrüger, und wir werden es nicht dulden, no Sir!«
»Meinen Sie wirklich, dass Werwölfe beim Glücksspiel einen Vorteil gegenüber anderen haben? Wirklich?«
Ich musste mich zu einer ernsten Miene zwingen, weil mir Ben in den Sinn kam.
»Ma’am, wer weiß schon, über welche Fähigkeiten diese Wesen verfügen? Nicht nur das Vorhersehen der nächsten Karte, sondern auch Bewusstseinskontrolle, Telekinese - haben Sie auch nur die leiseste Ahnung, was für ein Chaos Telekinese an einem Spielautomaten anrichten würde? Ich sage immer, Vorsicht ist besser als Nachsicht.«
Telekinese an einem Spielautomaten? Das würde ich gern einmal sehen ... »Senator, im Ernst: Stellt dieses Phänomen denn überhaupt ein Problem dar? Gibt es irgendwelche Statistiken, die zeigen, wie viele Spieler gegen das Haus gewinnen, weil sie über
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