Die Stunde des Spielers
nicht bewusst gewesen, wie sehr ich mich gesorgt hatte, bis ich die Erleichterung spürte, als er an den Tisch kam.
»Tut mir leid, dass ich zu spät komme. Ich bin aufgehalten worden. Mr Norville, Mrs Norville«, sagte er und gab meinen Eltern die Hand. Er ließ sich neben mich gleiten legte mir die Hand aufs Bein und lächelte. Und alles war verziehen.
»Gail, bitte«, sagte meine Mom und lächelte noch strahlender, falls das überhaupt möglich war. »Oder sogar Mom.«
Ben sagte mir ständig, dass ich zu viel Familie hätte. Selbst wenn es da nur meine Eltern gäbe, würde er wahrscheinlich immer noch behaupten, es sei zu viel Familie.
»Bereit für den großen Tag morgen, Ben?«, fragte Dad als Nächstes.
Bens Augen weiteten sich ein wenig, und kurzzeitig schien es ihm die Sprache verschlagen zu haben. Als Anwalt wusste er recht gut, wenn er ins Kreuzverhör genommen wurde. »So bereit, wie ich je sein werde«, sagte er und brachte ein schmales Lächeln zustande.
»Es wird wunderbar werden«, sagte Mom.
Mit eingefrorenem Lächeln warf Ben mir einen flehenden Seitenblick zu. Sag etwas, hilf mir hier raus.
Der arme Kerl. »Tja«, sagte ich fröhlich. »Habt ihr dieses Wochenende sonst noch was Schönes vor? Abgesehen von dem Zeug, bei dem es nur um mich geht?«
»Wir gehen einkaufen. Ich werde mich selbst verwöhnen, indem ich zu viel Geld ausgebe, und dein Vater wird die Tüten schleppen.« Dad verdrehte die Augen, doch Moms gute Laune schien ihn sehr glücklich zu machen.
»Habt ihr Zeit mitzukommen? Ich würde dir wahnsinnig gern etwas Schönes kaufen.«
War es zu spät, die ganze Sendung hinzuschmeißen? »Leider nicht. Vielleicht könntest du mir ja trotzdem etwas Nettes mitbringen.«
»Vielleicht mache ich das.«
Und in dem Augenblick war ich froh, hier zu sein, froh, dass sie beschlossen hatten zu kommen, denn es war so schön, Mom lächeln zu sehen, dass sie glücklich war und nicht an ihre Krankheit dachte.
Aber morgen würde ich irgendwie die Zeit finden, mich mit einem schicken Cocktail an den Pool zu setzen. Eventuell würde ich dafür sogar meine eigene Hochzeit sausen lassen.
Für die Sendung musste ich geschminkt werden. Ich saß in einem Sessel, während eine nette Frau dafür sorgte, dass ich hinreißend aussah. Außerdem musste ich gut angezogen sein. Erica führte eine Garderobenfrau herein, die mich ankleiden sollte: schöne Bundfaltenhose, Stöckelschuhe, eine tief ausgeschnittene Bluse in einem fotogenen Rotton. Als sie alle mit mir fertig waren, war ich ein anderer Mensch. Über solche Dinge musste ich mir im Radio nie den Kopf zerbrechen. Ich liebte es, zur Arbeit Jeans zu tragen. Daran sollte ich denken, wenn ich mir das nächste Mal einbildete, etwas wie das hier zu tun.
Mein Magen rebellierte. Ich hatte schon Außenübertragungen gemacht. Es war immer ein wenig abenteuerlich, mit Fremden zu arbeiten und sich zu fragen, ob eine kleine Panne das Ganze zum Scheitern brächte. Der Trick bestand darin, einfach weiterzumachen, als sei alles bestens. Sobald man sich benahm oder so klang, als stimmte etwas nicht, hörte das Publikum das, und man verlor die Leute. Sie wollten Selbstvertrauen. Was auch immer schieflief, musste man zu einem Teil der Sendung umfunktionieren.
Doch das hatte ich noch nie vor einem richtigen Publikum getan. Das brachte eine ganz neue Dimension von Angst mit sich. Falls - sobald - etwas misslang, würde ich mich nicht hinter dem Mikrofon verstecken können.
Ben stand mit mir hinter den Kulissen und hielt meine Hand. »Wow, du bist ja wirklich nervös!«
Meine Handflächen waren verschwitzt. Immer wieder sagte ich mir, ich kann das. Ich hatte alles unter Kontrolle.
»Ja, klar«, gab ich zu. »Ich denke, die ganze Sache ist ein bisschen verrückt. Und wenn nun niemand kommt?«
»Moment mal, du hast davor Angst oder, das hier vor einer Horde Leute durchzuziehen?«
Ich winselte ein wenig. »Ich weiß nicht recht.«
»Schaffst du das?« Was er meinte, war, würde die Wölfin es schaffen? Würde es mir gelingen, mich zusammenzureißen? Wenn ich nervös war, ängstlich, oder mich gefangen fühlte, geriet die Wölfin in Aufruhr. Dann war sie schwerer zu kontrollieren, schwerer im Zaum zu halten. Ich durfte auf keinen Fall die Kontrolle verlieren, sonst würde sie vielleicht aus mir hervorbrechen, und wir hätten einen knurrenden Werwolf auf der Bühne in einem Theater voller Menschen.
Das würde es vielleicht in die Morgenausgaben schaffen. Es gab
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