Die Stunde des Spielers
übersinnliche Kräfte verfügen?«
Burger verlagerte sein Gewicht, richtete sich auf und setzte eine ernste, väterliche Miene auf. Ein Patriarch, der im Begriff stand, seine eigenen Weisheiten vom Stapel zu lassen. Ich machte mich auf die Strafpredigt gefasst.
»Meiner Meinung nach liegt es nur in unserem Interesse, in diesen Dingen die Initiative zu ergreifen. Sicher, es ist leicht zu behaupten, es sei kein echtes Problem. Aber bloß weil wir es nicht sehen, heißt das noch lange nicht, dass es nicht existiert. Indem wir Maßnahmen dieser Art ergreifen, können wir derartige Probleme verhindern, bevor sie noch größer werden.«
Das alles ergab keinen Sinn. Wenn Leute mit Hilfe übersinnlicher Kräfte in Casinos betrogen, dann machten sie das schon viel länger, als diese Kräfte zum Thema öffentlicher politischer Debatten geworden waren. Und bisher war es noch niemandem aufgefallen. War es denn wirklich so etwas anderes als jede gewöhnliche Art des Betrugs?
Vorsichtig sagte ich: »Sind Sie sicher, dass da nicht ein Problem erfunden wird, das gar nicht besteht?«
Er schenkte mir ein herablassendes Lächeln. »Von jemandem ohne viel Erfahrung in der Glücksspielindustrie erwarte ich kein Verständnis.«
Ooh, das machte mich einfach nur sauer! »Und wie gedenken Sie, dieses Spielverbot für übernatürliche Wesen durchzusetzen? Besonders wenn, wie Sie andeuten, manche in der Lage sind, das Bewusstsein anderer Menschen zu kontrollieren, so dass sie Sicherheitsleute beispielsweise davon überzeugen können, dass sie eigentlich gar nicht da sind?«
Burger lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sagte aufgeschlossen: »Tja, das werden die beteiligten Behörden austüfteln müssen, nicht wahr?«
Regierung in Aktion. Ich liebte es.
Ich hatte noch einen weiteren Gast sowie Anrufe, die ich in der Sendung unterbringen musste, und die Zeit lief mir davon. »Na schön! Vielen Dank, dass Sie heute Abend zu einem Gespräch hergekommen sind, Herr Senator. Bitte Applaus für Senator Burger.« Wir schüttelten uns die Hände. Und der Senator bedachte die klatschende Menge
mit einem huldvollen Politikerlächeln, bevor er die Bühne verließ.
Ich brauchte noch nicht einmal jemanden, der ein Schild mit der Aufschrift »Applaus« hochhielt. Das Beste daran, die Midnight Hour vor einem Publikum zu veranstalten? Ich musste nicht raten, was meine Zuhörer dachten. Ich hatte sie direkt vor meiner Nase, reihenweise Gesichter, die hinter den Scheinwerfern ein wenig schattenhaft aussahen. Ich konnte auf sie reagieren. Ihr Applaus ließ mein Herz schneller schlagen.
Ganz egal, dass das Ganze außerdem die Wölfin in den Wahnsinn trieb. Wir saßen in der Falle unter den starrenden Blicken Hunderter möglicherweise gefährlicher Gesichter, und sie forderten uns heraus, warteten darauf, dass wir uns eine Blöße gaben, warteten darauf zuzuschlagen. Ich hatte damit gerechnet und wusste, dass ich einen Teil meiner Aufmerksamkeit brauchte, um jene tierischen Instinkte zu unterdrücken. Doch der Instinkt war mächtig. Die Wölfin wollte ein warnendes Knurren ausstoßen und dann weglaufen, um sich außer Gefahr zu bringen. Wir schwebten aber nicht in Gefahr. Das sagte ich mir ständig vor. Das hier war unser großer Auftritt. Ich hatte alles unter Kontrolle. Ich war die Alpha. Lächle, entspann dich.
Selbstverständlich war es nicht sehr hilfreich, dass ich aus dem Augenwinkel Leute - verdächtige Leute - am Rand der Menge erspähte. Vielleicht nicht Boris und Sylvia, aber Menschen, die wie sie aussahen. Wie der elegante Typ im Anzug, der auf einem der Plätze ganz links außen von mir saß. Er hatte eine wachsame Miene und über keinen einzigen meiner Witze gelacht. Sehr verdächtig! Und noch einmal: Wie viele dieser Leute trugen eine versteckte Waffe bei sich?
Wie dem auch sei.
Das Ganze sah nach einer typischen Late-Night-Talkshow aus, aber mit Radioausrüstung. Ich hatte einen Schreibtisch mit meinem Bildschirm und Mikrofon. Neben dem Tisch stand ein Sofa für meine Gäste, die mit Mi- kros verkabelt waren. Ich stellte es mir als eine Mischung aus der Tonight Show und Howard Stern vor. Wenn ich Glück hatte. Und wenn ich Pech hatte? Dann wäre auch ein bisschen Jerry Springer mit von der Partie. Außerdem stand mir der Rest der Bühne zur Verfügung, wo ich alle möglichen Dinge tun konnte, die im Radio gar nicht erst zur Debatte standen. Ich wollte es ausnutzen, dass man meine Show sehen konnte. Mein nächster Gast hätte im
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