Die Stunde des Spielers
irgendwie hatte ich unvermittelt das Gefühl, jemand habe mir eine Zielscheibe auf die Brust gepinselt.
»Hallo«, sagte sie sarkastisch. »Ich habe dich schon immer etwas fragen wollen: Kitty ist dein Künstlername oder? Es kann nicht dein echter Name sein.«
Sie würde gleich einen »Werwolf namens Kitty«-Witz machen. Ich konnte es spüren. Mein Lächeln war so aufgesetzt, dass es wehtat. »So heiße ich wirklich. Der Beweis, dass Gott Sinn für Humor hat«, sagte ich.
»Das ist urkomisch.« Sie schüttelte den Kopf. »Du lebst gern gefährlich, wie mir scheint.«
Wer, ich? Ein Werwolf inmitten einer Minitagung übernatürlicher Kopfgeldjäger? »Ach, komm schon, willst du mir vielleicht erzählen, dass wir hier nicht alle zivilisierte Leute sind?«
»Genau das. Was ist los, Jungs? Gibt es einen Grund, warum ihr mit jemandem wie ihr abhängt?«
Das bedeutete, dass sie Ben nicht durchschaut hatte, was auch immer sie jagte, und wie gut sie auch darin sein mochte. Keiner von ihnen hatte das. Am liebsten hätte ich einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen. Aber jeden Moment würde noch einer von ihnen in die Bar kommen, und der würde über mediale Fähigkeiten oder Magie verfügen und das Ganze auffliegen lassen. Ich wollte gar nicht wissen, was diese Meute täte, wenn sie herausfände, was einem der ihren zugestoßen war.
Ich entspannte mich und gab mir Mühe, mich nicht an Ben festzuklammern. Das wäre ganz bestimmt verräterisch.
»Sie ist in Ordnung, Brenda«, sagte Ben. »Lass sie in Ruhe.«
Brenda trat ganz nahe an ihn heran, direkt vor ihn. »Und du bist der Letzte, von dem ich erwartet hätte, dass er sich für so etwas einsetzt. Nein, ich nehme es zurück - der Zweitletzte. Aber Cormac ist derzeit nicht auf freiem Fuß, nicht wahr?«
»Nein.«
Das gefiel mir nicht. Wir standen mit dem Rücken zur Bar, und sie starrte ihn an, als wollte sie ihm gleich den Garaus machen. Ben war angespannt, doch ich stand kurz davor, aus der Haut zu fahren. Die Wölfin wollte von hier verschwinden. Brenda roch gefährlich.
»Er hätte sie erledigen sollen, als sich ihm die Gelegenheit bot.«
Bevor einer von uns beiden reagieren konnte - nicht dass es geholfen hätte, die Situation zu erklären -, nickte Evan in Richtung Bar und sagte zu Brenda: »Lass mich dir einen Drink ausgeben.«
»Ich kann mir meinen eigenen verdammten Drink kaufen. Club Soda mit Limette!«, rief sie dem Barkeeper zu, der gerade dabei war, zwei Biere zu zapfen. Er sah panisch herüber.
Vielleicht überkompensierte sie ja.
»Wisst ihrm, es ist schon spät«, sagte ich und wies mit dem Daumen in Richtung Tür. »Ich gehe wohl besser. Es war schön, euch alle kennengelernt zu haben.«
»Spät?«, sagte Brenda höhnisch. »Das ist köstlich w es von einer wie dir kommt.«
»Ich bin untypisch.« Mein Lächeln war steif. »Gute Nacht.«
»Ich begleite dich hinaus«, sagte Ben, wobei er relativ beiläufig klang. Er ging neben mir her.
»Ich könnte mir vorstellen, dass sie hier jemanden braucht, der ihr den Rücken deckt«, sagte Brenda. Ben salu- tierte zum Gruß vor ihr.
Ich konnte gar nicht schnell genug fortkommen, doch ich besaß trotzdem zu viel Stolz um wegzulaufen. Sobald wir außer Sichtweite der Bar waren und den Korridor zu den Aufzügen entlanggingen, ergriff Ben meine Hand und drückte sie.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Ja, klar. Ich hätte einen etwas ruhigeren Laden vorgezogen. Mit weniger Leuten.«
»Tut mir leid. Ich wollte bloß sehen, wer alles da ist. Früher oder später trifft man gewöhnlich alle an der Bar.«
»Und Brenda. Was war denn das?«
Er lachte vor sich hin. »Der beste Beweis, dass man kein Werwolf sein muss, um ein Alpha zu sein.«
»Junge, das kannst du laut sagen. In ihren Augen bin ich noch nicht einmal ein Mensch, oder?«
»Nein. So rechtfertigen es all diese Leute, Jagd auf Menschen wie dich zu machen. Ähm, wie uns.«
»Und du bist früher einer von ihnen gewesen.«
»Nicht wirklich. Na ja. Vielleicht. Größtenteils habe ich mich nur drangehängt.«
Genau so war er überhaupt erst zu einem Werwolf geworden. Er hatte sich an Cormac drangehängt, um ihm den Rücken zu decken, und das Monster war ihm in die Flanke gefallen. Er konnte von Glück sagen, dass er noch am Leben war. Oder auch nicht, das hing vom jeweiligen Standpunkt ab.
Vielleicht dachte er das Gleiche, denn er hatte diesen traurigen Gesichtsausdruck, den Blick in die Ferne gerichtet. Als wüsste er, dass er nicht mehr
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