Die Stunde des Spielers
mir erläutern, was Sie damit meinen, wenn Sie sagen, Ben sei verschwunden?«
Keiner von beiden wollte mich ansehen. Gladden ordnete Papiere auf dem Tisch, während er sagte: »Ms Norville, in welcher Beziehung stehen Sie zu Ben O 'Farrell?«
Das war so eine komplizierte Frage. Doch sie benötigten im Grunde nur eine Antwort. Ich hielt meine linke Hand mit dem Verlobungsring empor. »Eigentlich soll ten wir in einer halben Stunde heiraten. Das hier sollte eigentlich mein Hochzeitskleid sein.« Ich starrte sie wü tend an.
Sie warfen sich gequälte Blicke zu, als hätten sie das nicht hören wollen.
Matthews stellte die nächsten Fragen. »Wissen Sie, ob er in irgendwelchen Schwierigkeiten steckt, ob er Feinde hat, die ihm vielleicht schaden wollen?«
So viel zum Thema nicht hysterisch werden. »Was ist passiert? Ist er verletzt? Was geht hier vor? Ich kann Ihnen gar nichts sagen, solange ich nicht weiß, was vorgefallen ist.«
Wieder blickten sie sich an, als würden sie in Gedanken eine Münze werfen. Diesmal hatte wohl Matthews verloren. »Sie wissen, dass Mr O’Farrell am >Wochenend Texas Hold’em<-Turnier des Olympus Casinos teilgenommen hat? Es ist eine unserer beliebtesten Veranstaltungen - viele Spieler betrachten es als Sprungbrett zu den großen >World Poker Tour<-Turnieren ...«
Ich hielt eine Hand hoch. »Ich weiß. Fahren Sie fort.«
»Etwa eine Stunde nach Beginn des Spiels heute Nachmittag trat Mr O’Farrell an uns heran, weil er den Verdacht hegte, dass betrogen wurde. Ich weiß nicht, wie er es bemerkt hat, obwohl es keinem unserer Geber oder Manager aufgefallen ist.« Weil er ein Werwolf ist, was ich jedoch nicht sagte. Er hat es gerochen. »Doch er hatte Recht. Ein paar Überwachungskameras haben es gefilmt, doch wir hätten es niemals bemerkt ohne zu wissen, worauf wir achten mussten.«
»Und dann?«, drängte ich.
Gladden erzählte die Geschichte weiter. »Dann wurde es merkwürdig. Das Turnier sollte fortgesetzt werden – man entschied, es sei nicht genug Schaden entstanden, um es abzusagen. Doch als die Leute sich nach der Pause wieder an die Tische setzten - kein Ben O’Farrell. Die Geber hielten nach dem Durcheinander definitiv Augen nach ihm auf.« '
»Wir haben das hier von einer Überwachungskamera«, sagte Matthews und drückte die Play-Taste an einem der Bildschirme.
Die Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigte eine Szene im Freien, den Blick von oben auf einen Gehsteig und eine Straße - menschenleer, also wahrscheinlich irgendwo hinten oder an der Seite des Gebäudes. Eine unheimliche schwarze Limousine mit getönten Fensterscheiben parkte am Bordstein. Drei Männer gingen darauf zu. Einer von ihnen, mit dunkler Sonnenbrille und Handschuhen, schien Wache zu stehen; er hatte der Fahrertür den Rücken zugekehrt und sah immer wieder die Straße hinauf und hinab. Der andere ging auf die hintere Tür zu. Bei dem dritten handelte es sich um Ben. Der zweite Mann öffnete den Wagen, schob Ben hinein und kletterte hinterher. Der Beobachtungsposten ging um den Wagen zur Beifahrerseite. Dann fuhr das Auto davon.
Auf der Aufnahme war Bens Gesicht nicht zu sehen. Doch ich erkannte ihn wieder, seine Kleidung, die unor- dentlichen Haare, die Art, wie er sich bewegte. Ich versuchte zu erraten, was ihm durch den Kopf ging, anhand seiner Handlungsweise zu beurteilen, was da passierte. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, sein Rücken wirkte steif. Er sah keinen der beiden Männer an. Wurde er gekidnappt? Dies sah mir nach einer Entführung aus.
»Er ist entführt worden?«, fragte ich.
Gladden seufzte. »Schwer zu sagen. Unserer Meinung nach ist Folgendes passiert. Wir kennen einen dieser Typen.« Er deutete auf den Mann neben Ben. »Er ist der Gozilla eines hiesigen kleineren Bosses des organisierten Verbrechens, eines Kerls namens Faber, der ein paar Drogen- und Prostitutionsringe leitet sowie ein bisschen
ungeregeltes Glücksspiel. Leute wie er versuchen, unter dem Radar zu bleiben, indem sie ihre Operationen so klein halten, dass sie nicht auffallen. Wir glauben, dass er vielleicht hinter den Betrügereien bei dem Turnier steckt. Was bedeutet, dass er wahrscheinlich nicht viel von Bens Einmischung gehalten hat.«
Das Szenario klang wie eine Episode aus einem schlechten Gangsterfilm. Passierte so etwas überhaupt im echten Leben?
»Wir haben noch eine Idee«, sagte Matthews. »Keiner zielt mit einer Waffe auf ihn, er sieht nicht aus, als stehe er unter Zwang, wir haben keine Ahnung,
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