Die Stunde des Spielers
wieso können Sie mir nicht einfach erzählen, warum Sie sie nicht mögen? Anstatt die ganze Zeit
um den heißen Brei herumzureden.«
»Sie würden mir nicht glauben, wenn ich es Ihnen erzählte«, sagte er.
Aufgebracht warf ich die Arme in die Luft und rief: »Ich bin ein verdammter Werwolf! Versuchen Sie es doch!«
Er wandte sich bereits zum Gehen.
Anscheinend versuchte er, mehr Fragen über die Dar steller in Balthasars Show aufzuwerfen. Woher kamen sie? Warum keine Wölfe? Wenn ich selbstgefällig sein wollte, würde ich sagen, dass Wölfe zu clever waren, um sich so etwas gefallen zu lassen. Doch Wölfe waren rudelgesteuerter als Katzen und hätten eigentlich wie ge schaffen für eine solche Gruppe sein sollen. Außerdenm waren sie wilder. Ich hatte noch nie von einem dressierten Wolf im Zirkus gehört. Es gibt keine Wölfe in Vegas, hatte Dom gesagt, weil es hier nicht wild genug war.
Ich musste eine gründliche Recherche anstellen: Biografien ausgraben, herausfinden, wo Grant seine Kunst erlernt hatte, Balthasar zurückverfolgen und versuchen zu erfahren, wann er sich mit Lykanthropie infiziert, wann er mit seiner Show angefangen und ob jemals jemand sein Geheimnis erraten hatte. Das alles würde einen Stapel alter Zeitungen erforderlich machen, ein paar Stunden an einem Mikrofichegerät, eine Internetverbindung und die ganze altmodische Detektivarbeit. Eigentlich sollte das hier mein Urlaub sein. Eigentlich sollte es um meine Hochzeit gehen.
Ich entschied, es gut sein zu lassen. Was auch immer hier vor sich ging, welche Feindseligkeiten auch immer zwischen Grant und Balthasar bestehen mochten, sie hatten lange vor meiner Ankunft angefangen und würden wahrscheinlich weiterhin andauern, egal, was ich dagegen unternahm. Was bedeutete, dass es warten konnte bis ich wieder zu Hause war und während einer ereignislosen Woche Material für die Sendung brauchte.
Dieses eine Mal würde Kitty nicht die Neugierde packen.
Auf einmal wollte ich unbedingt Ben sehen. Ich sehnte mich nach seinem Geruch in meinen Lungen.
Da es nur noch zwei Stunden bis zu unserer Verabredung in der Kapelle waren, kehrte ich auf unser Zimmer zurück, um zu duschen und mich umzuziehen. Ich hatte mein Kleid, ein freches, aufreizendes Ding mit kurzem Rock und Stöckelschuhen, das schrie: Ich heirate in Vegas! Wie oft würde sich mir die Gelegenheit bieten, ein solches Kleid zu tragen?
Der Rest des Abends würde mir gehören. Mir und Ben. Ich konnte mich entspannen. Ich konnte heiraten. Die ganzen seltsamen Dinge vergessen. Ich konnte einfach ein normaler Mensch sein, wenigstens ein paar Stunden lang. Eine besinnungslose Jungvermählte.
Sechs Uhr rückte schnell heran. Ich hatte mir mein todschickes neues Kleid angezogen, und ich sah gut aus. Aber immer noch keine Spur von Ben. Ich gab mir Mühe, nicht auf- und abzugehen oder mit den Füßen aufzuklopfen oder mir die Fingernägel abzuknabbern. Stattdessen schaltete ich den Fernseher ein und zappte wie besessen durch die Sender. Als das Telefon läutete, wäre ich beinahe vom Bett gefallen. Ich stürzte mich darauf, als sei es ein Kaninchen, und warf einen Blick auf das Display.
»Hallo?«, sagte ich, und meine Stimme klang piepsig.
»Spreche ich mit Kitty Norville?«, fragte eine fremde Männerstimme.
»Ja, wer ist da?«
»Ich bin Detective Mike Gladden. Ich bin beim Las Vegas Police Department. Kennen Sie Ben O’Farrell?«
Mein Magen drehte sich, ich bekam eine Gänsehaut und eine Million Alptraumszenarien lief vor meinem geistigen Auge ab. Was war ihm zugestoßen? Ich hätte ihn nicht gehen lassen dürfen, ich hätte einen Anfall vortäuschen sollen, ich hätte ...
»Was ist passiert?«, fragte ich. Ich hoffte, dass meine Stimme ruhig und nicht verängstigt klang. Gladdens Antwort schien eine Ewigkeit auf sich warten zu lassen. Bis er sprach, konnte ich nur meinen eigenen Atem hören.
»Ma’am, Mr O’Farrell ist verschwunden.«
Zwölf
Zehn Minuten später traf ich in den Räumlichkeiten der Securi ty des Olympus Casino ein. Mit der Zeit war etwas Merkwürdiges passiert, sie verlief gleichzeitig zu schnell und zu langsam. Die Fahrt mit dem Aufzug dauerte ewig. Doch ein Teil von mir wollte überhaupt nicht dort ankommen. Ich wollte nicht erfahren, was vorgefallen war.
Als ich durch die Tür kam, trat mir ein Typ im Anzug in den Weg, der wie ein FBl-Agent aussah und mich anstarrte, als sei ich eine Außerirdische.
Ich musste erst wieder zu Atem kommen, bevor ich etwas
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