Die Stunde des Spielers
Sitzgruppe.
»Ist das dein Büro vor Ort?«, fragte ich.
»Etwas in der Richtung.«
Ich glitt hinein, ließ mich direkt auf der Sitzkante nieder, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er setzte sich mir gegenüber, und wir sahen einander über den Tisch hinweg an. In unserem starren Blick lag definitiv eine Herausforderung, und keiner von uns würde wegsehen. Und mich bezeichneten sie als Tier ... war ihm überhaupt bewusst, dass unsere Körpersprache identisch war?
Ich überlegte, ob ich zurückhaltend auftreten sollte, erkannte jedoch, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich mich bei diesem Thema zurückhalten sollte. Also redete ich Klartext. »Ben ist verschwunden.«
»Was meinst du damit, verschwunden? Hat er dicht versetzt oder so was?« Er lachte in sich hinein, als amüsierte ihn das.
Wieso nahm jeder an, dass Ben mir den Laufpass gegeben hatte? War ich solches Laufpassmaterial? Ich schloss die Augen, zählte bis zehn, rief mir ins Gedächt nis, dass ich dem Kerl unter anderen Umständen die Augen auskratzen konnte. Dann ermahnte ich mich, dass er Silberkugeln bei sich trug. Besser höflich sein.
»Ich meine verschwunden. Fort. Ja, gekidnappt.«
Verwirrt zog er eine Grimasse. »Was? Ich habe ihn erst mittags gesehen - er hat genau das gemacht, was er gesagt hatte: Hat für mich zweihundert Mäuse in einer Nebenpar tie gewonnen, bevor er zu seinem Turnier aufgebrochen ist. Willst du behaupten, dass ihn jemand aus dem Turnier heraus entführt hat?«
»Weißt du irgendwas über einen kleinen Bandenchef aus Vegas namens Faber?«, fragte ich.
Sein Lächeln verblasste. Woraufhin ich mich tatsächlich schlechter fühlte. Er sagte: »Das ist ein echt zwielichtiger Kerl. Ein ganz übler Kunde, aber solange man ihm nicht in die Quere kommt, lässt er einen in Ruhe. Deiner Miene nach zu schließen, ist Ben ihm in die Quere gekommen.«
»Er hat das Casino auf einen Betrügerring im Pokerraum aufmerksam gemacht. Sie haben Aufnahmen von den Überwachungskameras, auf denen einer von Fabers angeheuerten Schlägern Ben in ein Auto setzt.«
Er senkte die Stimme. Wir beide beugten uns über den Tisch. »Wissen sie, dass er ein Werwolf ist?«
»Nein«, sagte ich. »Ich glaube nicht.«
»Denn wenn Faber und seine Schläger es wissen, und frag mich nicht, woher sie es wissen könnten, haben sie vielleicht jemanden von hier auf ihn angesetzt.«
Das gefiel mir ganz und gar nicht. Mafiakerle waren un heimlich genug, doch sie verwendeten wahrscheinlich keine Silberkugeln, und Ben hatte vielleicht eine Chance. Doch wenn jemand aus Evans Kopfgeldjägerclique seine Finger mit im Spiel hatte … war alles möglich.
»Ist dir etwas zu Ohren gekommen? Hat es Gerüchte über Faber gegeben?«
Evan strich sich mit der Hand übers Kinn und überlegte. »Das kann ich herausfinden. Ich kenne ein paar örtliche Jäger. Ich werde sie mal fragen, was Faber so getrieben hat.«
Als Brenda die Bar betrat, erkannte ich sie am Rhythmus ihrer Absätze, die über den Boden hämmerten und dem Geruch ihres Leders. Sie kam direkt auf uns zu und stellte sich an den Tisch, Hand auf der Hüfte, die Hüfte vorgeschoben. Heute trug sie eine Lederhose, die seitlich zugeschnürt war, und ein kompliziertes ärmelloses Ober- teil mit weiteren Schnüren und strategisch verteilten Lücken im Stoff.
»Ich habe dich gesucht«, sagte sie. »Ich muss schon sagen, das ist der letzte Ort, an dem ich dich anzutreffen erwartet hätte.«
»Ben ist verschwunden«, sagte ich. »Hast du etwas damit zu tun?«
Sie runzelte die Stirn. Wie Evan schien auch sie nicht zu wissen, wovon ich redete. »Verschwunden? Wann ist denn das passiert?«
»Heute Nachmittag«, sagte ich. »Und wieso hast du mich gesucht?«
»Rutsch rüber.« Sie schob sich auf die Sitzbank neben Evan. »Was ist passiert?«
Ich erklärte es von Neuem. Wie schon Evan, kannte sie Fabers Namen und nickte, als ich ihn erwähnte. Allerdings schien sie nichts Näheres über ihn zu wissen.
»Bist du dir sicher, dass er dir nicht einfach davongelaufen ist?«, fragte sie schließlich.
»Fang bitte nicht damit an«, sagte ich. »Wenn dieser Kerl ihn sich tatsächlich geschnappt hat, hätte die Polizei ihn dann mittlerweile nicht finden müssen? Sie wissen, wo diese ganzen Typen sind, von wo aus sie operieren.«
Ungeduldig schüttelte Brenda den Kopf. »Hör zu, Ben ist ein netter Kerl, und ich möchte auch nicht, dass ihm etwas zustößt. Aber das ist im Moment noch deine geringste Sorge. Boris und Sylvia
Weitere Kostenlose Bücher