Die Stunde des Spielers
kam herüber. Ganz der Jäger, in höchstem Maße konzentriert. Selbst als er sich zu uns gesellte und mich von oben bis unten musterte, nickte, nachdem er festgestellt hatte, dass ich unversehrt war, blieb ein Teil seiner Aufmerksamkeit auf unsere Umgebung gerichtet, und er beobachtete die Menschenmenge. Ich hatte das Gefühl, dass er mir über jeden hier allein aufgrund von ein paar flüchtigen Einzelheiten eine Menge erzählen könnte, ganz wie Sherlock Holmes.
»Danke«, sagte ich.
»Das kannst du laut sagen. Wie ich höre, mag dieser Balthasar keine Werwölfe. Treibt sie aus der Stadt, wann immer sich ihm die Gelegenheit bietet.«
»Oh, er hat nicht versucht, mich aus der Stadt zu treiben«, sagte ich mit einem schmalen Lächeln. Höchstens in den Wahnsinn vielleicht.
Evan wandte sich an Brenda. »Boris und Sylvia sind ihr nicht hierher gefolgt. Ich kann keine Spur von ihnen entdecken.«
»Aber sie sind immer noch da draußen, und ich möchte wissen, wo.«
»Dann gehen wir auf die Jagd«, sagte Evan mit einem schiefen Grinsen und glitzernden Augen. Leute wie er lebten bestimmt für Momente wie diesen. Ja, sie grinsten sogar beide.
»Und was ist mit mir?«, fragte ich. »Und Ben?«
»Wir halten weiterhin die Augen offen«, sagte Evan. »Es gibt immer noch ein paar Spuren, denen wir nachgehen müssen.«
Brenda sagte: »Es besteht die Möglichkeit, dass die beiden etwas wissen. Falls ja, werden wir es aus ihnen herausbekommen.«
Wäre das hier ein Film, hätte sie ihre Waffe gezogen und genau in dem Augenblick entsichert, um ihrer Aussage mehr Nachdruck zu verleihen. Nicht dass ich mich dann besser gefühlt hätte.
»In der Zwischenzeit«, sagte Evan zu mir, »bringen wir dich zurück ins Hotel. Und dort solltest du bleiben, bis wir wissen, dass Sylvia es nicht auf dich abgesehen hat. Verstanden?«
Ich war zu verwirrt, um Einspruch zu erheben. Ich wollte sie begleiten. Ich wollte Ben finden, und zwar jetzt. Gleichzeitig wollte ich mein Gesicht in einem Kopfkissen vergraben. Und diese verdammten Stöckelschuhe loswerden. Im Augenblick war es einfacher, keinen Widerspruch zu erheben.
Sie brachten mich zu einem Taxi, in dem wir zurück um Olympus fuhren. Das war sehr nett von ihnen. Doch ich hatte das Gefühl, dass sie es nicht unbedingt deshalb taten, weil sie mich mochten, sondern weil sie Boris und Sylvia so richtig hassten. Dagegen war nichts einzuwenden. Ich ärgerte mich etwas, als sie mich von der Lobby vorne zum Lift begleiteten, dann in den Aufzug und bis zu meinem Zimmer.
Evan gab mir zum Schluss noch Anweisungen: »Lass die Tür abgesperrt. Leg die Kette vor. Mach niemandem auf. Bleib hier, verstanden?«
»Ich bin nicht blöd, weißt du?«, sagte ich. Er starrte mich wütend an, als sei er da anderer Meinung.
»Ruf uns an, wenn etwas vorfallen sollte. Wenn du diese Schläger siehst, oder wenn du von Ben hörst, dann ruf uns an.«
»Sehr wohl, Sir«, sagte ich.
Sie zogen erst los, als ich die Tür zugemacht hatte und sie die Kette einrasten hörten. Es entging mir nicht, weil ich sie durch den Spion beobachtete.
Hier war ich also, heil und gesund, und mir blieb nichts anderes übrig, als auf Ben zu warten. Abzuwarten und zu sehen, was sonst noch schrecklich schiefliefe. Ich nutzte die Gelegenheit und zog mir die schmerzhaften Schuhe und das Kleid aus und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. Mein armes misshandeltes Kleid. Das Kleid, das Ben mir hatte ausziehen wollen.
Ich hängte es in den Schrank, damit ich es nicht länger ansehen musste.
Es gab noch die eine oder andere Handlungsmöglichkeit. Trotz Evans Warnung würde ich, falls mir ein Plan einfiel, nicht hier herumhocken und abwarten. Ich konnte durch Las Vegas wandern und hoffen, eine Spur von Ben zu wittern und ihn zufällig zu finden. So verrückt das auch klang, ich war bereit, es zu versuchen. Das Ganze war meine Schuld. Wenn ich mit einer hübschen traditionellen Hochzeit zufrieden gewesen wäre, wäre nichts von all dem passiert. Wenn ich Ben ausgeredet hätte, an dem Pokerturnier teilzunehmen, wenn ich einen Streit vom Zaun gebrochen hätte, wäre er noch hier.
Vielleicht würde ich das allerdings doch nicht tun und riskieren, von Boris und Sylvia aufgespürt zu werden. Ich hatte noch immer nicht alles versucht, um Ben zu finden. Was noch übrig war? Bloß ein klein wenig Magie.
Sechzehn
Man könnte mir ohne Probleme folgen, sich immer zwei Schritte hinter mir halten - inmitten der ganzen Menschen, die am Wochenende
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