Die Stunde des Spielers
Mittelpunkt meines Lebens zog mich von ihnen fort. »So gern ich auch hierbliebe und mit euch allen zusammen wäre, muss ich los und der nächsten Spur folgen, wenn ihr nichts wisst.« Selbst wenn es bedeutete, dass ich durch die Straßen wanderte und seinen Namen rief. Ich würde es tun, wenn es sein musste.
In der Zwischenzeit kam das Rudel näher, stahl sich heran, während sich die Nasenflügel der Männer blähten, weil sie alles daran setzten, an mir zu riechen. Jeden Augenblick würden sie die Hände ausstrecken und mich anfassen. Ich wich einen Schritt zurück und musterte die Gruppe schöner, ernster Gesichter um mich herum. Sie kamen nicht viel nach draußen, darauf ging ich jede Wette ein. Alle lächelten geistesabwesend. Schon mal was von einer Sekte gehört?
»Hey Leute, haltet euch ein bisschen zurück«, sagte Avi und trat zwischen mich und die Calvin-Klein-Werbespot- Anwärter. »Ihr wollt sie doch wohl nicht gleich nach ein paar Minuten verschrecken.«
Balthasar, der nicht eingeschritten war, lächelte nachsichtig. »Er hat recht. Sanjay, warum holst du uns nicht etwas zu trinken? Vielleicht Wasser. Sollen wir anderen uns hinsetzen? Wir können Kittys Problem besprechen.« Er wies auf einen kunstvoll arrangierten Kissenhaufen. Genau das, was ich brauchte: Dass wir alle zusammen auf dem Boden herumlagen. Was war gleich noch einmal mein Problem?
Dennoch saß ich an ein Kissen gelehnt da, die Beine geziert unter mir angezogen, umgeben von Männern, die aussahen, als würden sie gleich losschnurren. Balthasar saß neben mir, Nick auf der anderen Seite und Avi mir zu Füßen.
Ich brauchte Ablenkung. »Erzählt mir doch von den Wandgemälden. Die alten Geschichten. Lasst ihr euch davon inspirieren?« Ich ließ den Blick durch die Gruppe schweifen und richtete die Frage an alle. Ihre gespannte Aufmerksamkeit machte mich nervös, und ich wollte mich in ihrer Gegenwart nicht nervös verhalten. Ich wollte nicht schwach wirken.
»Es ist mehr als eine Inspiration«, sagte Balthasar. »Man könnte wohl beinahe sagen, dass es so etwas wie ein Glaube ist.«
»Ach ja? Wie eine Religion?«
»Diese Geschichten haben mit der Erschaffung der Welt zu tun. Die Leute in unserer modernen Welt haben das alles vergessen. Ich glaube, ein Grund, weswegen wir hier sind, ist, um die Leute daran zu erinnern, wie wild alles früher einmal gewesen ist. Wie chaotisch.«
»Okay«, sagte ich, doch ich starrte ihn verdutzt an d ich es nicht recht begriff. Sanjay kam mit den Getränken, einem Tablett, ein paar Gläsern und einem Krug. Es sah nach Wasser aus, doch als ich das Glas zum Trinken an die Lippen führte, rümpfte ich die Nase. Es roch nicht richtig. Vielleicht ein Betäubungsmittel? Vielleicht war es bloß eine eigenartige Marke Mineralwasser.
Balthasar trank einen großen Schluck aus seinem Glas, was mich nicht so recht beruhigte. Niemand sonst trank etwas. Das gab ihnen noch mehr den Anschein von Tieren anstatt von Menschen, die sich um uns versammelt hatten und uns liebevoll anhimmelten, während sie auf eine Streicheleinheit oder ein wenig Ansprache warteten.
Nick sagte: »Ich habe mit ihm gestritten. Ich finde, dass wir an die Öffentlichkeit gehen sollten. Dann könnten wir die Show so richtig wild gestalten, uns auf der Bühne verwandeln ...«
»Igitt!«, stieß ich entsetzt aus. Sich zu verwandeln war so etwas Persönliches, Traumatisches. Es in der Öffent- lichkeit zu tun, vor Zuschauern - was ich in der Tat getan hatte, als man mich in Gefangenschaft gefilmt hatte, völlig gegen meinen Willen -, wirkte so falsch, so aufdringlich.
Doch ich musste zugeben, dass es bestimmt für ausverkaufte Häuser sorgen würde.
»Wir sind nicht auf Effekthascherei aus«, sagte Balthasar mit einem finsteren Blick zu Nick.
»Deshalb all die Peitschen und Ketten«, sagte ich sarkastisch.
»Hat es dir gefallen?«, fragte Balthasar.
»Reißerischer Sex ist zugegebenermaßen eine leichte Methode, um die Leute zu schockieren. Und es bringt das
Blut in Wallung.«
Nick verengte die Augen zu Schlitzen und lächelte. »Auf mehr Arten, als du ahnst.«
Balthasar und Nick ragten beide neben mir in die Höhe, während ich mich in das Kissen drückte. Wieder einmal lag ich mit dem Bauch nach oben und sah zu ihnen empor, ein Paradebeispiel für Unterwürfigkeit, und das wollte ich ganz bestimmt nicht.
Ich setzte mich auf und stellte das Glas ab. »Wisst ihr etwas über Faber und darüber, was mit Ben geschehen sein könnte, oder
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