Die Stunde des Spielers
landete auf der Bühne, im hinteren Bereich, mit Blick auf ein leeres Theater und die Rückseite von Grants Ausrüstung. Der Vorhang war offen, und Grant selbst stand vorne auf der Bühne. Es sah aus, als übte er mit den chinesischen Reifen, silberne Kreise, die sich verbanden, klickten, als sie sich so schnell vereinigten und wieder trennten, dass ich nicht folgen konnte.
Dann, weil die Wölfin meine Sinne übernommen hatte, weil alles scharf und klar war und sich die Welt um mich herum ein wenig langsamer bewegte - und vielleicht, weil ich hinter ihm stand -, sah ich es. Die Ringe in seiner Hand bewegten sich gar nicht. Er hielt sie immer an derselben Stelle fest, was er vor dem Publikum verbarg, und arbeitete so schnell, dass es nur so aussah, als würden die Ringe ihre Position ändern, sich miteinander verbinden, wieder auseinandergleiten. Zwei Ringe waren bereits verbunden, und zwar fest, doch er verbarg die Gelenkstelle, so dass sie einfach nur wie zwei weitere Ringe aussahen, die an seinem Arm hingen. Und einer der anderen Ringe hatte eine Lücke. Grant verbarg die Lücke mit der Hand, während er die anderen Ringe hinein- und hinausgleiten ließ. Er hantierte fließend mit ihnen, perfekt. Ich hätte es niemals bemerkt, wenn ich nicht diesen merkwürdigen Blick darauf erhascht hätte.
Doch es war trotzdem Magie, denn ich könnte den Trick ganz bestimmt niemals so gut ausführen wie Grant. Jedenfalls nicht ohne reichlich Übung.
Er drehte sich um, als habe ihn der Druck meiner Blicke aufgerüttelt. Die Ringe baumelten einfach nur von seiner Hand, anstatt zu tanzen. Zuerst wirkte er verärgert und blickte mich finster an, doch ich musste verzweifelt ausgesehen haben, rot im Gesicht und außer Atem, denn er fragte: »Was ist los?«
»Ich werde verfolgt, sie wollen mich umbringen.« Ich deutete hinter mich. Mir war bewusst, dass ich mich nicht klar ausdrückte, doch für mehr blieb mir keine Zeit.
Er sah über meine Schulter, und ich drehte mich um, weil ich fürchtete, dass sich Boris und Sylvia von hinten an mich herangeschlichen hatten. Doch nur wir beide standen auf der Bühne. Aber ich konnte Atemgeräusche hinter den Kulissen widerhallen hören. Sie waren ganz in der Nähe.
Grant musste es ebenfalls gespürt haben. Er marschierte auf die bemalte Truhe zu, die harmlos auf der Bühne herumstand. »Wenn Sie einen Augenblick hier hineinsteigen würden.«
Ich lachte eine Spur hysterisch. »Sie wollen mich in Ihrer Trickkiste verstecken? Sie meinen wirklich, dass sie sich auf diese Weise reinlegen lassen werden?«
»Bitte steigen Sie einfach nur hinein. Alles wird gut werden« sagte er beschwörend. »Und was immer Sie tun, be-
wegen Sie sich nicht.«
Was zum Teufel? Vielleicht würde es tatsächlich funktionieren. Ich stieg hinein, und er machte den Deckel zu, so dass um mich herum Dunkelheit herrschte.
Vorsichtig tastete ich das Innere der Truhe ab. Ich wusste nicht, wie der Trick funktionierte, so dass Leute in der Kiste zu verschwinden schienen. Grant hatte es mir nicht erklärt, also konnte ich den Mechanismus nicht betätigen, die Falltür öffnen oder was auch immer. Mir blieb nichts übrig, als dort zu stehen. Ich lauschte, konnte aber nicht hören, was draußen vor sich ging. Hatten sie mich gefunden? War Grant in der Lage, sie abzuwimmeln?
Bewegungsfreiheit hatte ich keine. Ich fühlte die Tür vor mir, die beiden Seitenwände, nur Zentimeter von meinen Armen entfernt. Ich trat einen Schritt zurück und erwartete, gegen die Rückwand der Kiste zu stoßen. Dann machte ich noch einen Schritt und noch einen. Drei Schritte nach hinten. Ich war um die Kiste herumgegangen; so groß war sie nicht. Im Innern konnte gar nicht so viel Platz sein.
Ich bewegte meine Arme und tastete nach den Seitenwänden, die nicht vorhanden waren.
Als ich mich umsah, erblickte ich Schatten. Was unmöglich war, weil es in der Kiste stockdunkel war – kein einziger Lichtstrahl drang nach innen. Doch jetzt konnte ich die Arme heben, sie seitlich von mir wegstrecken. Meine Schritte hallten nicht wider, wie sie es eigentlich auf dem Boden einer Holzkiste hätten tun sollen. Ich warf einen Blick über die Schulter, halb in der Erwartung, einen schneebedeckten Wald und einen Laternenpfahl zu entdecken. Viel war nicht zu sehen: unstete Grautöne wie Wolken, die über einen Nachthimmel zogen. Ich spürte eine Brise, die mir ein paar Haarsträhnen ins Gesicht wehte. Das war unmöglich - ich befand mich in einer Truhe.
Und
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