Die Stunde des Spielers
ausgingen, wäre es mir niemals aufgefallen. Leute folgten mir tatsächlich, Leute, die auf denselben Pfaden und Bürgersteigen zwischen den Hotels entlangströmten, wie die sich windenden Schlangen in einem Vergnügungspark. Ich konnte nichts riechen außer dem Beton, Schweiß und Alkohol, mit denen hier jeder menschenüberfüllte Ort behaftet war. Ich hörte nichts außer Stimmen und lauter Musik. Aufgrund der Überwachungskameras war ich längst an die Vorstellung gewöhnt, dass mich die ganze Zeit über jemand beobachtete. Und ich konnte mich auf nichts mehr konzentrieren als darauf, was mit Ben geschehen war.
Erst in der Lobby des Diablo blieb ich stehen, weil es in meinem Nacken zu kribbeln angefangen hatte. Ich sah mich um und versuchte herauszufinden, woher das Gefühl kam. Ich trat an die Wand und versuchte, mich zu orientieren.
Da bemerkte ich ihn, in der Nähe der Eingangstüren. Bori, der eine Lederjacke über dem T-Shirt trug. Er sah nicht aus, als beobachtete er mich; er sah zu den blitzenden Lichtern über der Treppe, die in den Casinobereich führte. Doch ich befand mich zweifellos in seinem Gesichtskreis. Er berührte sein Ohr und sprach in ein beinahe unsichtbares Freisprechmikrofon. Es war um sein Ohr gewunden und lag dicht auf seiner Haut auf.
Er unterhielt sich mit Sylvia. Sie hätten mir vom Olympus aus folgen können. Von sonstwo aus. Sie waren an Evan und Brenda vorbeigeschlüpft. Mist, ich musste hier raus!
Zu spät, da war sie. Ich hatte sie das ganze Wochenende über gesehen. Konnte ich mich nicht nur einmal täuschen, wenn ich glaubte, dass Leute hinter mir her waren? Ich stand zwischen ihnen. Sie kam direkt auf mich zu, und sämtliche Instinkte sagten mir unmissverständlich, dass ich weglaufen sollte. Doch wohin? Sie hatten sich geschickt postiert, Boris am Haupteingang, seine Partnerin in der Nähe des Casinos.
Ich atmete durch und beruhigte mich. Wir befanden uns in einem offenen Raum unter den Blicken der Security. Was konnten sie mir hier schon groß antun? Was auch immer sie versuchten, würde viel zu viel Aufmerksamkeit erregen. Hundert Kameras in Kugeln voller Fischaugenobjektive waren in regelmäßigen Abständen an den Decke angebracht, was bedeutete, dass sie mit nichts durchkommen würden.
Ich hätte Evan oder Brenda bitten sollen, bei mir zu bleiben. Doch ich wollte unbedingt, dass sie Ben aufspürten.
Ich ging weiter hinein, in Richtung des Casinos. Die vielen Leute und die ganze Security ließen es im Moment als den sichersten Ort erscheinen. Der ganze Lärm von einer Million klingelnder Glocken und klickender Spielautomaten tat meinen Ohren weh und bereitete mir Kopfschmerzen. Ganz zu schweigen von den Lichtern, die meine Augen folterten. Doch im Moment war es ein sicherer Hafen.
Die Frau änderte die Richtung, um mir den Weg abzuschneiden. Ich warf einen Blick über die Schulter; Boris bewachte immer noch den Eingang, und mittlerweile beobachtete er mich ganz offen. Ohne loszurennen und Leute aus dem Weg zu schubsen, würde ich nicht durch den Eingang gelangen. Mein Rücken war steif, die Nackenhaare aufgestellt, und ich wollte knurren, doch ich schluckte es hinunter und riss mich zusammen.
Sie schlüpfte vor mich und blieb stehen, bevor ich die Treppe zur Hauptebene des Casinos hinabsteigen konnte.
»Ich habe eine Waffe in der Tasche«, sagte sie leise und sah mir in die Augen. Dies war ein völlig anderes Verhalten als bei einer der anderen Masken, die ich das ganze Wochenende über an ihr kennengelernt hatte. Sie war eine Schauspielerin, eine geniale Schauspielerin; überhaupt nicht wiederzuerkennen, wenn sie wollte, bloß indem sie die Art änderte, wie sie sich bewegte, sprach und sich hielt. »Komm mit, oder ich schieße gleich hier.«
Verblüfft lachte ich. »Was? In einer Menschenmenge in Casino in Vegas? Du machst wohl Witze.«
»So oder so wirst du sterben, mehr will ich nicht. Ich wette bloß darauf, dass dein sonniges Gemüt es dir nicht erlaubt, jemanden mit in den Tod zu nehmen. Wie sieht es also aus? Sollen wir gehen?«
Moment mal. Sie hatte mir eben angekündigt, dass sie mich umbringen würde, und jetzt wollte sie, dass ich mit ihr nach draußen spazierte, oder sie würde in die Menge schießen? Aber erst, nachdem sie mich umgelegt hatte. Ich fragte erst gar nicht nach, ob sie Silberkugeln hatte oder nicht.
»Du bluffst.«
»Willst du das Risiko eingehen?«
Meine Stimme wurde höher, beinahe hysterisch. »Das hier ist Vegas. Sollte ich da
Weitere Kostenlose Bücher