Die Stunde des Spielers
nicht?«
»Ach, ja, Ben. Der andere Wolf. Dein Partner«, sagte Balthasar.
Ich verspannte mich, und in meinem Kopf läuteten die Alarmglocken. Ben hatte nicht mit mir die Show besucht, Nick hatte ihn nicht gesehen, es war völlig unmöglich, dass er von ihm wusste. Ich hatte Balthasar von meinem Verlobten erzählt. Ich hatte nicht gesagt, dass es sich um einen Werwolf handelte.
Bleib cool, sagte ich mir. Benimm dich gleichgültig. »Warum glaubst du, dass er ein Wolf ist?«
Er beugte sich dicht zu mir, so dass sein Atem meine Haare bewegte. »Ich kann ihn an dir riechen. Es wird länger als eine Nacht dauern, um seinen Geruch loszuwerden.« Er war mir so nah, dass er nur ein Stück den Kopf neigte, als er mich auf die Stirn küsste. Eine warme trockene Berührung der Lippen, das war alles. Etwas das vielleicht ein Freund täte, um Trost zu spenden. Dann bewegte er sich, beugte sich vor, um mich auf die Lippen zu küssen. Ich konnte ihn riechen, Hitze, Würze, Feuer. Hände berührten mich, Balthasars an meinem Kinn, an meinem Arm. Und andere Hände - vielleicht Nicks an meinem Bein, immer weiter den Oberschenkel empor. Noch eine Hand an meinem Knöchel. Sie alle rückten näher, ein Dutzend Männer - manche von ihnen Jungen. Wesen. Mit flehenden Blicken, als sollte ich unbedingt bleiben, als hätten sie noch nie zuvor etwas wie mich gesehen, und als sei ich in ihren Augen ein Schatz. Ich errötete, und mir war schwindelig. Doch die Wölfin fühlte sich in die Enge getrieben.
Ich war am Ertrinken. Ich bekam keine Luft mehr. Ich will mein Männchen, flüsterte die Wölfin.
Knurrend, mit gefletschten Zähnen, stand ich auf, schob Hände fort, entzog mich der Meute und wich in die Mitte des Zimmers zurück. Die Schultern hochgezogen, den Kopf geneigt und mit wütend herausforderndem Blick - ein in die Enge getriebener Wolf. Aufmerksamkeit von willigen Männern war in Ordnung, doch ein Gefühl von Hilflosigkeit war es nicht. Nicht mehr. Davon hatten wir genug gehabt und würden es gewiss nicht wieder mit uns machen lassen. Wenn einer von ihnen noch einen Schritt auf mich zukäme, würde die Wölfin die Sache selbst in die Hand nehmen. Beziehungsweise in die Tatze.
Ich atmete tief durch und beruhigte mich. Zwischen mir und der Welt draußen befanden sich Türknäufe, was bedeutete, dass ich Mensch bleiben musste, um hier herauszukommen.
»Ich weiß nicht, was für ein Spielchen hier gespielt wird, ich weiß nicht, was mit euch und den Werwölfen und dieser verrückten, durchgeknallten Stadt los ist. Aber ich werde mich jetzt auf die Suche nach meinem Partner begeben.«
»Kitty, warte«, sagte Balthasar. Seine Stimme klang immer noch schmeichlerisch: Der verführerische Unterton verschwand nie. »Wir können dir helfen. Wenn sich in dieser Stadt ein Werwolf verlaufen hat, kann ich ihn finden ...«
Da ging ein Alarm los. Ein echter. Das tiefe elektrische Dröhnen eines Feueralarms hallte aus dem Gang draußen wider. Es klang näher, als ich erwartet hätte; die Zimmerflucht wirkte so riesengroß, und wir schienen uns so weit vom Rest des Hotels entfernt zu befinden.
Balthasars Jungs warfen sich verwirrte Blicke zu.
Ich rannte auf die Eingangstür zu. Das war doch bestimmt kein richtiger Alarm. Es war eine Übung oder falscher Alarm. Dann dachte ich mir: Wenn ein großes Hotel in Vegas in Flammen aufginge, wäre es selbstverständlich das, in dem ich mich in dem Augenblick aufhielt.
Ich berührte die Haupttür. Sie war nicht heiß. Mittlerweile telefonierte Balthasar von einem Apparat in der
Ecke des ersten Zimmers. Als ich die Tür öffnete um zu gehen, rief er...
»Warte, Kitty, man sagt mir gerade, dass es falscher Alarm ist...«
Dem mochte so sein, doch ich würde trotzdem die Gelegenheit nutzen, um so schnell wie möglich von hier zu verschwinden.
Der Gang war leer. Vielleicht hielten es alle außer mir für falschen Alarm. Oder vielleicht hatten Balthasar und seine Freunde das gesamte Stockwerk für sich. Das war gut möglich, weshalb ich meine Schritte lieber beschleunigte. Der Aufzug schien nicht zu funktionieren, wahrscheinlich wegen des Feueralarms, also nahm ich die Treppe. Wenn es mich nicht ernüchtern würde, acht Etagen hinunterzulaufen, dann würde gar nichts helfen.
Das schrille Klingeln, das in dem Betontreppenhaus widerhallte, verursachte mir heftige Kopfschmerzen.
Zehn Minuten ohne Hitze und Rauch überzeugten mich davon, dass es sich tatsächlich um falschen Alarm handelte. Zwischen
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