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Die Stunde des Tors

Die Stunde des Tors

Titel: Die Stunde des Tors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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mit einem Armwinken, als sie sich mit ihren Gefährten in die Lüfte hob und gen Himmel flog.
    In ihrer Kaltwetterkleidung zurück gelassen, sahen die Reisenden dem letzten Paar nach, wie es im Hämatit verschwand. Dann schwang sich Imanooo empor und flog in südlicher Richtung voran, und sie folgten ihr.
    Der Pfad, der keiner war, führte sie immer tiefer die Hänge hinab. Nach dem strapaziösen Marsch zur Eisenwolke war es eine willkommene Abwechslung, einmal bergab gehen zu können. Am Tag nachdem Imanooo sie verließ, begannen sie damit, ihre schwere Kleidung abzulegen. Bald darauf schritten sie zwischen Bäumen und Strauchwerk dahin, und der Schnee war nur noch eine langsam verblassende Erinnerung.
    Jon-Tom ging etwas langsamer, um bei Clodsahamp zu bleiben. Der Hexer war vorzüglicher Laune und zeigte keinerlei Schwächung durch die Gewaltmärsche der vergangenen Wochen.
    »Darf ich Sie etwas fragen?«
    »Ja, mein Junge?« Die Augen blickten ihn durch dicke Brillengläser an. Sofort fühlte sich Jon-Tom verunsichert. Gerade eben, als er darüber nachgedacht hatte, war ihm alles noch ganz einfach erschienen, eine bloße Frage. Und nun blieb sie ihm fast in der Kehle stecken.
    »Nun«, kam es schließlich aus ihm heraus, »mein Volk kennt da eine bestimmte Geistes- oder Seelenverfassung.«
    »Fahr nur fort, mein Junge.«
    »Sie hat auch einen allgemein verbreiteten Namen. Man nennt sie Todessehnsucht.«
    »Das ist aber interessant«, meinte Clodsahamp nachdenklich.
    »Ich vermute, das bedeutet doch, daß jemand sterben will.«
    Jon-Tom nickte. »Manchmal merkt das der Betroffene selbst gar nicht, so daß es ihm erst ein anderer klarmachen muß. Und selbst dann glaubt er es nicht immer.«
    Sie schritten eine Weile schweigend weiter, bis Jon-Tom schließlich hinzufügte: »Äh, ich will ja bestimmt nicht respektlos sein, aber könnte es vielleicht sein, daß Sie Todessehnsucht verspüren?«
    »Im Gegenteil, mein Junge«, erwiderte der Hexer, der anscheinend nicht im geringsten verärgert war. »Ich habe Sehnsucht nach dem Leben. Ich bringe mich selbst nur deswegen in Gefahr, um anderen das Leben zu retten. Das kann ja wohl kaum bedeuten, daß ich mein eigenes vernichten will.«
    »Das weiß ich ja, aber mir scheint, Sie haben uns von einer Gefahr in die andere geführt, um immer größere Risiken einzugehen. Mit anderen Worten: Je länger wir überleben, um so bereitwilliger scheinen Sie den Tod riskieren zu wollen.«
    »Eine legitime Folgerung, die freilich nur auf deiner Interpretation der Fakten fußt«, erwiderte Clodsahamp. »Du vergißt dabei eins: Ich möchte genauso wie jeder von euch leben und überleben.«
    »Können Sie sich dessen wirklich sicher sein? Schließlich leben Sie ja schon mehr als doppelt so lang wie ein gewöhnlicher Mensch, und Sie haben ein viel erfüllteres Leben hinter sich als jeder von uns.« Er zeigte auf die anderen.
    »Würde es Ihnen sehr weh tun, sterben zu müssen?«
    »Deine Argumentation leuchtet mir durchaus ein, mein Junge. Du willst sagen, daß ich bereit bin, den Tod zu riskieren, weil ich schon ein halbwegs gutes Leben hinter mir habe und weniger zu verlieren habe als du.«
    Jon-Tom erwiderte nichts.
    »Mein Junge, du lebst noch nicht lange genug, um das Leben zu verstehen. Glaube mir, inzwischen erscheint es mir noch wertvoller, weil ich weniger davon habe. Ich wache eifersüchtig über jeden Tag, weil ich weiß, daß es mein letzter sein kann. Ich habe nicht weniger zu verlieren als du - ich habe sogar mehr zu verlieren.«
    »Ich wollte mir nur sicher sein.«
    »Wessen sicher? Die Gründe für meine Entscheidungen? Das kannst du, Junge. Die beruhen auf einem einzigen Motiv: auf der Notwendigkeit, die Horden der Gepanzerten daran zu hindern, die Zivilisation auszulöschen. Selbst wenn ich tatsächlich sterben wollte, würde ich das nicht tun, ohne zuvor jedes bißchen Kraft meines Körpers darauf verwendet zu haben, diese Massen daran zu hindern, die Warmlande zu zerstören. Wenn ich unter dieser Verirrung leiden sollte, die du mir zusprichst, würde ich mich vielleicht selbst umbringen, aber erst nachdem ich alle anderen gerettet hätte.«
    »Es ist beruhigend, das zu hören.« Jon-Tom fühlte sich erheblich erleichtert.
    »Es gibt da allerdings eine Sache, die mir ein bißchen Sorge macht.«
    »Und welche ist das?«
    »Nun, es ist höchst seltsam.« Der Hexer blickte zu ihm empor. »Aber weißt du, ich bin mir überhaupt nicht sicher, ob ich mich noch an die Formel

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