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Die Sturmfluten des Frühlings

Die Sturmfluten des Frühlings

Titel: Die Sturmfluten des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Seldes. The Dial. Das Preisausschreiben in The Dial. Marianne Moore. E. E. Cummings. Das riesige Zimmer. Jahrmarkt der Eitelkeiten, Frank Crowninshield.
    Worum drehte sich das Ganze? Wohin führte sie das alles?
    Jetzt hatte sie einen Mann. Einen Mann, der ihr gehörte. Ihr allein. Konnte sie ihn halten? Konnte sie ihn für sich behalten? Sie wußte nicht recht.
    Mrs. Scripps, früher eine ältliche Kellnerin, jetzt die Frau von Scripps O’Neil mit einem guten Posten in der Pumpenfabrik. Diana Scripps. Diana war ihr eigener Name. So hatte auch ihre Mutter geheißen. Diana Scripps blickte in den Spiegel und wußte nicht recht, ob sie ihn wohl halten konnte. Das wurde nachgerade zu einer Frage. Warum war er nur je Mandy begegnet? Würde sie den Mut haben und aufhören, mit Scripps zum Essen in das Restaurant zu gehen? Das konnte sie nicht tun. Er würde allein gehen. Das wußte sie. Es hatte keinen Sinn, sich selbst etwas vorzumachen. Er würde einfach allein gehen und sich mit Mandy unterhalten.
    Diana blickte in den Spiegel. Konnte sie ihn halten? Konnte sie ihn halten? Dieser Gedanke ließ sie überhaupt nicht mehr los.
    Jeden Abend in dem Restaurant – sie konnte es jetzt nicht mehr Bohnenstube nennen, ohne daß ihr ein Kloß in die Kehle kam, so daß ihre Kehle hart wurde und sich verkrampfte. Jeden Abend im Restaurant unterhielten sich jetzt Scripps und Mandy. Das Mädchen versuchte, ihn ihr wegzunehmen. Ihn, ihren Scripps. Versuchte, ihn ihr wegzunehmen. Wegzunehmen. Konnte sie, Diana, ihn halten?
    Die Mandy war nicht besser als eine Nutte. War das denn eine Art? Tat man so etwas? Dem Mann einer anderen Frau nachstellen? Sich zwischen Mann und Frau drängen? Ein Heim zerstören. Und all das mit diesen unaufhörlichen literarischen Reminiszenzen. Diesen endlosen Anekdoten. Scripps war von Mandy fasziniert. Diana gestand sich das ein. Aber vielleicht vermochte sie ihn zu halten. Das war das einzige, worauf es jetzt ankam. Ihn zu halten. Ihn nicht loszulassen. Ihn zum Bleiben zu zwingen. Sie blickte in den Spiegel. Diana, abonnierte das Forum. Diana las den Mentor. Diana las William Lyon Phelps in Scribner’s. Diana ging durch die vereisten Straßen der stillen nördlichen Stadt zur öffentlichen Leihbibliothek, um die Buchkritiken des Literary Digest zu lesen. Diana wartete auf den Briefträger, der ihr den Bookman brachte. Diana wartete im Schnee auf den Briefträger, der ihr die Saturday Review of Literature brachte. Hatte es denn einen Nutzen? Hielt es ihn?
    Zuerst schien es so. Diana lernte Leitartikel von John Farrar auswendig. Scripps’ Züge erhellten sich. Ein wenig von dem alten Leuchten war wieder in Scripps’ Augen. Dann erstarb es. Irgendein kleiner Fehler in der Wortanordnung, irgendein Mißverstehen eines Satzes ihrerseits, irgendeine Zerstreutheit in ihrer Haltung gab dem Ganzen einen falschen Ton. Sie würde weitermachen. Sie gab sich nicht geschlagen. Er war ihr Mann, und sie würde ihn halten. Sie blickte vom Fenster fort und schlitzte das Streifband der Zeitschrift, die auf dem Tisch lag, auf. Es war Harper’s Magazine. Harper’s Magazine in neuem Format. Harper’s Magazine völlig verändert und revidiert. Vielleicht würde das es schaffen. Sie wußte nicht recht.

5
    Der Frühling war im Kommen. Der Frühling war in der Luft. (Anmerkung des Verfassers. Es ist derselbe Tag, an dem die Geschichte vorn auf Seite 17 anfängt.) Es blies ein Chinook. Arbeiter gingen aus der Fabrik nach Hause. Scripps’ Vogel sang in seinem Käfig. Diana blickte aus dem offenen Fenster. Diana wartete darauf, ihren Scripps die Straße heraufkommen zu sehen. Konnte sie ihn halten? Konnte sie ihn halten? Falls sie ihn nicht halten konnte, würde er ihr wohl seinen Vogel dalassen? In letzter Zeit hatte sie das Gefühl gehabt, daß sie ihn nicht halten konnte. Wenn sie Scripps jetzt nachts berührte, rollte er von ihr fort und nicht zu ihr hin. Es war nur ein kleines Zeichen, aber das Leben bestand aus solchen kleinen Zeichen. Sie fühlte es, sie konnte ihn nicht halten. Wie sie so aus dem Fenster blickte, entfiel eine Nummer des Century Magazine ihrer kraftlosen Hand. The Century hatte einen neuen Herausgeber. Es enthielt jetzt mehr Holzschnitte. Glenn Frank war abgegangen, um Dekan an irgendeiner großen Universität zu werden. Es gab mehr Van Dorens in der Zeitschrift. Diana hatte das Gefühl, daß das vielleicht die Wende herbeiführen könnte. Beglückt hatte sie The Century aufgeschlagen und den ganzen

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