Die Sturmfluten des Frühlings
Morgen gelesen. Dann begann der Wind, der warme Chinook zu wehen, und sie wußte, daß Scripps bald zu Hause sein würde. Mehr und mehr Männer kamen die Straße herunter. War Scripps dabei? Sie mochte ihre Brille nicht aufsetzen, um hinauszublicken. Sie wollte sich von ihrer besten Seite zeigen, wenn Scripps’ erster Blick auf sie fiel. Als sie spürte, wie er näher kam, wurde das Vertrauen, das sie in The Century gesetzt hatte, schwächer. Sie hatte so gehofft, daß dies ihr das gewisse Etwas geben könnte, das ihn halten würde. Jetzt war sie nicht mehr so sicher.
Scripps kam mit einem Haufen aufgeregter Arbeiter die Straße entlang. Männer, die der Frühling aufgerührt hatte. Scripps schwenkte sein Eßgefäß. Scripps winkte den Arbeitern ein Lebewohl zu, die einer nach dem andern in ein Haus marschierten, das früher mal eine Kneipe gewesen war. Scripps blickte nicht zum Fenster empor. Scripps kam die Treppe herauf. Scripps kam näher. Scripps kam näher. Scripps war da.
«Guten Tag, lieber Scripps», sagte sie. «Ich habe gerade eine Geschichte von Ruth Suckow gelesen.»
«Tag, Diana», antwortete Scripps. Er setzte sein Eßgefäß hin. Sie sah verbraucht und alt aus. Er konnte es sich leisten, höflich zu sein.
«Wovon handelte denn die Geschichte, Diana?»
«Es handelte sich um ein kleines Mädchen in Iowa», sagte Diana.
Sie ging auf ihn zu. «Es handelte sich um Leute auf dem Land. Es erinnerte mich ein wenig an meinen heimatlichen Lake District.»
«Wirklich?» fragte Scripps. In mancher Beziehung hatte ihn die Pumpenfabrik härter gemacht. Er sprach jetzt abgehackter. Mehr wie diese robusten Arbeiter aus dem Norden. Aber sein Gemüt war das gleiche.
«Möchtest du, daß ich dir ein Stückchen davon vorlese?» fragte Diana. «Es sind auch eine Reihe reizender Holzschnitte darin.»
«Was meinst du zur Bohnenstube?» sagte Scripps.
«Wie du willst, Scripps», sagte Diana. Dann versagte ihr die Stimme. «Ich wünschte – ach, ich wünschte, daß du den Ort nie gesehen hättest!» Sie wischte sich die Tränen ab. Scripps hatte sie nicht einmal bemerkt. «Ich werde den Vogel holen, mein Lieber», sagte Diana. «Er ist heute überhaupt noch nicht draußen gewesen.»
Zusammen gingen sie die Straße zur Bohnenstube hinunter. Sie gingen jetzt nicht mehr Hand in Hand. Sie gingen jetzt wie das, was man ein älteres Ehepaar nennt. Scripps trug den Vogelkäfig. Der Vogel war vergnügt in dem warmen Wind. Frühlingstrunkene Männer schlenderten daher und kamen an ihnen vorbei. Viele sprachen mit Scripps. Er war jetzt wohlbekannt und sehr beliebt in der Stadt. Manche lüfteten im Vorbeischlendern den Hut vor Mrs. Scripps. Vage erwiderte sie den Gruß. Wenn ich ihn nur halten kann, dachte sie. Wenn ich ihn nur halten kann. Während sie durch den matschigen Schnee auf dem schmalen Bürgersteig der nordischen Stadt gingen, begann etwas in ihrem Kopf zu hämmern. Vielleicht war es der Rhythmus ihrer gemeinsamen Schritte. Ich kann ihn nicht halten. Ich kann ihn nicht halten. Ich kann ihn nicht halten.
Scripps nahm ihren Arm, als sie die Straße überquerten. Als seine Hand ihren Arm berührte, wußte Diana, daß es wahr war. Sie würde ihn nimmermehr halten können. Ein Haufen Indianer kamen auf der Straße vorbei. Lachten sie über sie oder über irgendeinen indianischen Witz? Diana wußte es nicht. Alles, was ihr bewußt war, war der Rhythmus, der in ihrem Kopf hämmerte. Ich kann ihn nicht halten. Ich kann ihn nicht halten.
Anmerkung des Verfassers:
Für den Leser, nicht für den Drucker. Was für einen Unterschied macht es schon für den Drucker? Wer ist der Drucker überhaupt? Gutenberg. Die Gutenberg-Bibel. Caxton. Zwölf Punkt offene Caslon. Die Linotypemaschine. Der Autor, den man als kleinen Jungen schickte, um die Zwiebelfische zu finden. Der Autor, den man als jungen Mann schickte, um den Schlüssel für die Matrizen zu holen. Ja, die kannten allerlei Schliche, diese Drucker.
(Für den Fall, daß der Leser nicht mehr recht Bescheid weiß, wir sind jetzt da, wo die Geschichte mit Yogi Johnson und Scripps O’Neil in der Pumpenfabrik anfängt, während der Chinook bläst. Wie Sie wissen hat Scripps O’Neil die Pumpenfabrik jetzt verlassen und ist mit seiner Frau, die Angst hat, daß sie ihn nicht halten kann, auf dem Weg zur Bohnenstube. Wir persönlich glauben auch, daß sie das nicht kann, aber der Leser mag sich selbst ein Urteil bilden. Wir wollen jetzt das Paar auf seinem Weg zur Bohnenstube
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