Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht - Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht
emporstiegen, gab es heiße Quellen, aus denen Heilwasser sprudelte. Karat fühlte sich unbehaglich zwischen ihr und Saion, der dicht hinter ihm ging. Er war unbewaffnet und schwach auf den Beinen - ein Zustand, in dem er niemanden in seiner Nähe haben wollte. Schon gar keinen Hünen mit Streitäxten, der ihm offensichtlich misstraute. Doch für ein Bad, ein echtes heißes Bad, verließ er sein Lager gerne. Es war lange her, dass er sich hatte waschen können, und er wollte den Angstschweiß der vergangenen Tage endlich loswerden.
Als sie ins graue Tageslicht traten, verschlug es ihm die Sprache.
Er hatte ein Zeltlager erwartet. Höchstens ein geplündertes Dörfchen. Doch rings um sie erhoben sich majestätische Gebäude aus weißem Stein, in einer Bauart, wie er sie nie zuvor gesehen hatte. Schlanke Säulen stützten Dächer in komplizierten Formen. Es sah aus wie ein Garten voller riesiger weißer Blüten. Dass Farn, Efeu und Moos alle freien Flächen bewucherten, konnte den Bauwerken ihre Anmut nicht nehmen.
»Was … was ist das für ein Ort hier?«, murmelte Karat.
Mutter Meer sah ihn forschend an. »Naruhl. Die erste menschliche Siedlung der Welt. Die Wiege ihrer Zivilisation. Wir fanden es sehr passend, dass auch ihr Ende von hier kommen sollte.«
»Wieso haben sie den Ort dann verlassen?«
Mutter Meer betrachtete die kunstvollen Türme und Terrassen unter den Bäumen und schien zu seufzen. »Es spukt,
sagt man. Nein, es ist so. Der Ort ist verflucht. Böses lauert in den alten Fluren und Hallen …«
»Und dann versteckt ihr euch ausgerechnet hier?«
Sie sah ihn ernst an. »Wir kennen das Böse. Wir haben es alle erlebt. Wenn die Furcht verloren ist, bleibt nur die Vorsicht.« Sie deutete in eine Richtung. »Komm.«
Sie führte ihn durch dichtes Unterholz und über schmale Trampelpfade zwischen Felsen. Karat bemerkte, dass die Bauten alle unbeschädigt waren. Hier und da waren riesige alte Bäume auf die Dächer gestürzt, doch kein einziger Riss war im weißen Stein zu erkennen. Während alles ringsum Verfall und Vergangenheit atmete, standen die Türme wie ewige Säulen dazwischen, erhaben über die sterblichen Dinge, die sich an sie klammerten. Karat fragte sich, wie die Menschen diese Kunst vergessen haben konnten, wenn sie doch offenbar einmal dazu fähig gewesen waren. Er hätte nie gedacht, dass Entwicklung mit der Zeit zurück statt vorwärts gehen könnte … das war doch widersprüchlich.
Ihr Weg führte sie in einen Schacht zwischen hohen Felsen, die über ihnen immer enger wurden, sodass nur ein dünner Vorhang Licht herabfiel. Im Boden waren überall Vertiefungen, in denen dampfendes Wasser blubberte. Kleine Ströme und Rinnsale liefen durch das Gestein.
»Hier«, sagte Mutter Meer und brachte Karat zu einem Teich. Weißer Kalk überzog die Steine, das Wasser wirkte wie Glas. Vorsichtig kniete Karat nieder und tauchte einen Finger hinein. Das Wasser war heiß. Aber nicht kochend, wie er fast befürchtet hatte. Angenehm.
»Wir warten unten auf dich. Nimm dir so viel Zeit, wie du willst.« Mutter Meer gab ihren beiden Begleitern ein Zeichen, mitzukommen.
»Wartet. Kannst du mir ein Feenlicht borgen, solange ich
hier bin? Ich will nicht überrascht werden, wenn ich da reinsteige.«
Mutter Meer lachte. Sie hatte ein dunkles Lachen, das von tief innen zu kommen schien. »Wir benutzen kein Zauberwerk der Magierschaft. Und hier braucht auch niemand Feenlichter. In Naruhl erwacht das Land nie zu Leben … wusstest du das denn nicht?«
Karat sah sie skeptisch an.
»Du kannst mir vertrauen«, sagte sie schlicht. Dann drehten sie sich um und ließen ihn allein. Er sah ihnen nach, wie sie hinter Licht und Dampf verschwanden.
Wohlig warm und sauber kehrte Karat zurück. Mutter Meer, Saion und Hyrab saßen auf einem breiten Felsblock und schliffen ihre Waffen. Als sie Karat kommen sahen, erhoben sie sich.
»Hast du Hunger?«, fragte Mutter Meer und stand schon auf.
Inzwischen hatte es zu dämmern begonnen. Der Himmel hinter den Baumwipfeln färbte sich violett und die ersten Sterne leuchteten auf. In weiter Ferne hallten Vogelrufe wider, doch Karat sah kein Tier in der Nähe. Ihm fiel auf, dass nicht einmal Grillen zirpten. Dabei wucherte überall dichtes Gras. Vielleicht war es schon zu kalt für Grillen. Ihr Atem gefror in der Luft.
Sie gingen durch einen bogenförmigen Eingang und stiegen Stufen empor, über und über mit Laub und Moos bedeckt. Kunstvolle Schnörkelmuster bedeckten
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