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Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht - Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht

Titel: Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht - Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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eins. Irgendeins, welches, war egal. Von da an trugen wir die Bücher mit uns. Wie Talismane. Zeichen für unsere heimliche Schwesternschaft. Ich beobachtete, wie sie begann, in ihrem Buch zu lesen. Ich brachte den Mut auf, sie zu fragen, ob sie lesen könne. Sie sagte, sie lerne es, sie schaue sich die Bilder an. Wir sahen sie uns zusammen an. Es war ein Buch über Heilkunst und Pflanzen. Auch Menschen mit Verletzungen waren abgebildet. Wir lernten viel, allein indem wir die Zeichnungen betrachteten. Zum ersten Mal spürte ich, dass Wissen Macht ist. Ich fühlte, dass ich weniger Angst hatte, seit ich wusste, welche Kräuter Blutungen stoppen, was man tun muss, wenn man sich etwas verstaucht, wie man einen abgehackten
Arm abbindet, um nicht zu verbluten. Wir waren unseren Meistern nicht mehr hilflos ausgeliefert. Es war ein ruhiges, aber überwältigendes Glück. Ein lautlos explodierender Stern.«
    Karat beobachtete sie. Oyara untermalte ihre Erzählung mit kleinen Gesten, und wieder war er fasziniert, wie sie so gefühlsselig und kindisch reden konnte, ohne dabei so zu wirken. Er musste sich an seinem ganzen Spott festhalten, um nicht auf sie hereinzufallen.
    »Und was stand in deinem Buch?«, fragte jemand.
    »Nun … das erfuhr ich erst später. Ich konnte noch nicht lesen, ich lernte es erst allmählich mit meiner heimlichen Schwester. Nachts, wenn der Mond hell genug war, oder tagsüber, wenn wir schlafen sollten. Wir suchten nach anderen Medizinbüchern mit Bildern, damit wir uns retten konnten. Meine Schwester interessierte sich sehr dafür und sie lernte schneller als ich. Heute ist sie eine Heilerin. Eine der besten, die ich kenne. Sie hat mir oft das Leben gerettet.« Einen Moment schwieg sie, in Erinnerungen versunken. »Als ich besser lesen konnte, fing ich mit meinem ersten Buch an. Es waren alte Legenden. Anfangs fand ich sie sinnlos und behielt das Buch nur, weil es mein Talisman war. Doch eines Tages begriff ich, dass darin der Schlüssel zu einer ganz anderen Macht liegt … Verständnis. Ich musste verstehen, woran die Bleichen glaubten, nach welchen Traditionen und Werten sie lebten. Um einen Feind zu vernichten, muss man ihn kennen. Ich las die Legenden, danach andere Geschichten, Gedichte, ich lauschte auf ihre Lieder und nahm alles in mich auf. So lernte ich, nach welchen Gesetzen ihre Welt aufgebaut war. Oder vielmehr, nach welchem einen Gesetz.«
    »Gier!«, rief jemand. Ein anderer: »Es gibt nur das Gesetz
des Stärkeren bei ihnen. In ihren Augen gibt es so viel Leben, dass ein einzelnes Leben nicht zählt!«
    Oyara nickte bitter. »Je mehr es von etwas gibt, umso weniger ist es wert. Ich habe gelernt, dass Besitz alles ist in ihrer Welt. Und ich meine nicht nur Geld und Güter. Die Könige haben ihren Adel, ihre Schlösser, ihr Gold und ihre Ländereien. Doch wer steht über ihnen? Wer herrscht selbst über die Könige der Menschen? Die Magier. Sie selbst haben nichts und doch gehört ihnen alles. Alles ist Aradon. Denn sie besitzen den größten Schatz von allen, Wissen.«
    Wieder gab es Zurufe und Mutter Meer wartete sie mit regloser Miene ab. Dann nahm sie sich ein Fleischstück und tunkte es in Soße, um zu essen, während sie den anderen zuhörte.
    »Wie zerstört man einen Schatz? Man kann ihn nicht zerstören, man kann ihn nicht rauben. Ein Schatz verschwindet erst wirklich, wenn man ihn an alle verteilt!«
    »Ja! Je mehr Leute dasselbe haben, umso geringer ist die Macht des Einzelnen.«
    »Welche Macht bleibt den Magiern noch, wenn sie nicht die alleinigen Besitzer des Wissens sind? Wenn alle Welt das Geheimnis der Feenlichter kennt, sind die Magier nicht mächtiger als jeder Bauer oder Hirte!«
    Karat war satt. Er erhob sich mit einem knappen Nicken und ging, ohne damit die leidenschaftliche Diskussion zu unterbrechen.
     
    In dieser Nacht suchten ihn unheimliche Träume heim. Er hörte Stimmen durch das Loch in der Decke zu ihm hinabsteigen, wie schmalgliedrige Finger aus Rauch räkelten sie sich um ihn. Dann traten Gestalten aus dem Nichts. Sie waren nur von Licht umrissen. Blätter und Ranken waren ihre
Roben. Haar wie bleiche Flammen wogte durch die Luft. Ihre Finger richteten sich auf Karat. Er erschrak, als sie auf ihn zuzuwachsen schienen, ihm bis in die Brust drangen, doch er war unfähig zu schreien, geschweige denn sich zu bewegen.
    Wir speisen die Früchte aller Bäume … Du kannst uns glauben, Sohn der Inseln … glaube uns. Träume …
    Das Pochen fing wieder an. Es

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