Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
brummte der Banus. »Sie dürfen nun gehen. Und schicken Sie mir meinen Sekretär. Der Geheime Rat soll noch heute einen Brief bekommen, dass er zukünftig auf Ihre Hilfe verzichten muss. Wenn ich nun schon Feldmarschall bin, so will ich die Macht meines Amtes auch gebrauchen!«
»Danke!« Gabriela wusste nicht, wie sie ihre Freude in Worte fassen sollte. Endlich war sie wieder frei!
Gabriela hatte es noch nicht über sich gebracht, Halime zu sagen, dass dies ihr letzter Besuch in der Residenz des Pascha sein würde. Die Gözde war niedergeschlagen, ohne dass Gabriela den Grund dafür erraten konnte. Sie saßen eng beieinander und tranken aus kleinen goldbemalten Gläsern süßen Tee.
Die Orientalin strich Gabriela sanft über die Wange. »Diese Narbe, rührt sie von einer Verletzung im Kriege?«
»Nein.« Gabriela schloss die Augen und dachte an die Nacht, in der sie Janosch verlassen hatte. »Es war mein Mann. Er wollte vor meinen Augen ein anderes Weib in unserem Ehebett nehmen.« Bei der Erinnerung daran begann Gabriela zu zittern. Halime legte ihr die Hand auf die Schultern.
»Verzeih mir, meine Freundin. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen.«
»Es ist schon gut. Mein Mann ist mit dem Messer auf mich losgegangen. Er hat dafür gebüßt! Ich habe ihn niedergeschossen. In jener Nacht hat mein Weg begonnen, der als Mann in einem Husarenregiment endete.«
Halime sah sie mit großen Augen an. »Du hast den Mann, der dich quälte, einfach erschossen? Und man hat dich dafür nicht verurteilt?«
Gabriela zögerte kurz. Sollte sie Halime die ganze Wahrheit sagen? Machte es noch einen Unterschied, bei dem, was sie nun schon alles wusste? Die Orientalin hatte sich ihr gegenüber in den letzten Wochen stets als treue und zuverlässige Freundin gezeigt. »Ich bin zum Tode verurteilt. Mein Mann hat dafür gesorgt, dass in meiner Heimatstadt, Orschowa, der Galgen auf mich wartet.«
»Bei Allah! Und du bist so, wie manche Männer es tun, zur Armee gegangen, um der Verurteilung zu entgehen?«
»Das trifft es nicht ganz, aber es kommt der Wahrheit recht nahe, ich … «
»Deine Erinnerung quält dich. Lass uns von etwas anderem sprechen! Du wirkst heute Abend bedrückt. Sag mir, was ich tun kann, um dich aufheitern zu lassen. Soll ich nach meinen Musikerinnen rufen?«
»Nein. Das wird nicht helfen.« Gabriela betrachtete den dunklen Tee in ihrem Glas. Sie fühlte sich elend. An jedem Abend, den sie hier verbracht hatte, hatte sie sich alle Mühe gegeben, Halime auszuhorchen, um für Schnitter neue Geheimnisse herauszufinden. Nádasdy hatte recht, als er dies ein niederträchtiges Geschäft gescholten hatte. Alles Gute, das die Gözde ihr tat, vergalt sie ihr mit Lug und Trug!
»Erinnerst du dich noch an den Goldfaden, den ich dir in den ersten Brief gelegt habe, den du von mir bekommen hast?«
Gabriela schrak aus ihren Gedanken auf. »Ja.«
»Nicht alle Männer sind so gütig zu ihren Frauen wie Resmi Pascha. Aus diesem Grunde hat sich in den Harems eine Sprache ohne Worte entwickelt. Schickst du jemandem einen Goldfaden, so heißt dies: Wende dein Angesicht nicht fort!« Halime blickte beschämt zur Seite. »Natürlich konntest du nicht wissen, was es bedeutet, und doch … Ich hatte es gehofft, auch wenn es unvernünftig war. Und ich wollte nicht nur, dass du nicht gehst. Ich … « Die Gözde nahm ein kleines Rosenholzkästchen mit Intarsien aus Perlmutt und Onyx vom Tisch, auf dem ihnen der Tee serviert worden war. »Heute, meine Liebe, möchte ich dir ein ganz besonderes Geschenk machen.«
Sie reichte Gabriela das Kästchen und drückte es an der Seite, sodass ein verborgener Mechanismus den Deckel aufspringen ließ und eine fremdartige Melodie erklang.
»Eine Spieluhr?«
»Das und mehr. Sieh hinein, teure Freundin.«
Ein so kostbares Geschenk beschämte sie. Das Innere des Kästchens war mit dunkelblauem Samt ausgeschlagen, auf dem eine Rose lag, die kunstvoll aus unzähligen Rubinen zusammengefügt war. »Bei Gott, das kann ich nicht annehmen! Das muss ja ein Vermögen wert sein!«
Sie wollte Halime das Schmuckkästchen zurückgeben, doch die Gözde weigerte sich, es anzunehmen. »Diese Uhr spielt ein Lied, das ich sehr liebe … «
»Und die Rose? Sie hat eine Bedeutung in der geheimen Sprache des Harems, nicht wahr? Auch bei den Christen schreibt man einer roten Rose eine ganz bestimmte Bedeutung zu.«
Halime schwieg einen Atemzug lang, dann sagte sie leise und sehr feierlich: »Mögest du
Weitere Kostenlose Bücher