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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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Holzfässchen an sich und nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Du trauerst um deinen Bruder«, sagte sie heiser, »weil ihr euch… geliebt und weil ihr zusammengehalten habt. Bei mir… war es nicht so. Ich komme aus dem Süden, du wirst die Gegend nicht kennen. Es sind die schwarzen Panar-Berge. Mein Vater starb durch den Angriff einer Martiskatze, aber meine Mutter hielt das Gehöft. Ich und meine zwei Brüder… Sebe und Omin… teilten uns die Aufgaben. Sie konnten mich nicht leiden, weil ich anders war als sie. Ich träumte vom Meer, sie dagegen wollten mehr Rinder und Ziegen besitzen als die anderen. Wir gingen uns aus dem Weg. Das war einfach, weil ich oft ganze Tage lang mit den Ziegen unterwegs war und jagte, während sie sich um die Felder kümmerten und Felle gerbten. Dann kam das rote Fieber und meine Mutter starb. Mit ihrem Tod begann der Streit.«
    »Um das Erbe?«
    Amber nickte niedergeschlagen.
    »Auch in den Bergen gibt es Regeln und Gesetze«, sagte sie bitter. »Es sind stets die Söhne, die das Haus und das Land erben. Die Töchter erhalten zwanzig Ziegen, etwas Geld und ein Pferd und müssen sehen, dass sie weiterwandern und irgendwo eigenes Land finden. Nun, das war nicht das Unglück. Ich hätte die Ziegen genommen und sie verkauft, denn ich wollte ja unbedingt nach Dantar! Doch Omin verweigerte mir meinen Anteil. Und da beschloss ich…«
    »… ihn dir selbst zu holen?«
    Amber senkte den Kopf. »Ich nahm meinen Anteil aus der Kammer meiner Mutter. Es war mehr Geld, als mir zustand, aber dafür würde ich schließlich die Ziegen dalassen, die mir als Erbe gehörten. Doch als ich in der Scheune war, um das Pferd zu satteln… da kamen meine Brüder. Sebe hatte einen Dreschflegel in der Hand, Omin einen Knüppel. Und mir wurde bewusst, was sie schon die ganze Zeit geplant hatten. Ich sah es in ihren Augen.«
    Der heiße, schwere Druck in ihrem Magen war wieder da. Es fiel ihr nicht leicht, die folgenden Worte auszusprechen. »Sie hatten längst beschlossen, mich umzubringen. Vielleicht hätten sie meinen Leichnam in eine Schlucht geworfen und behauptet, es wäre beim Ziegenhüten passiert. Dann wäre der Streit um das Erbe vorbei. Sie griffen mich an. Aber ich hatte Glück. Sebe stolperte und ich konnte ihn niederschlagen und Omin überwältigen.«
    Ich war viel zu. wütend, um kein Glück zu haben, berichtigte sie sich in Gedanken.
    Sabins Stimme riss sie aus der Erinnerung.
    »Du konntest also fliehen?«
    Wenn ich nicht geflohen wäre, hätte ich sie umgebracht, dachte Amber.
    »Ich beschloss, dass meine Brüder ihr Erbe nicht wert waren«, sagte sie heiser. »Ich sperrte sie in der Scheune ein und dann… trieb ich alle Ziegen aus dem Stall in die Berge und nahm mir das restliche Geld aus der Kammer meiner Mutter – und auch ihren Schmuck und Omins Ringe. Ich zerstörte die Gerbrahmen und schüttete Asche in das Weinfass. Ich versenkte ihre Stiefel und Kleidertruhen im Weiher vor dem Haus. Und schließlich setzte ich den Ziegenstall in Brand und ging.«
    Sabin schwieg, in der Ferne rauschte das Meer. Erst nach einer ganzen Weile wagte Amber, den Blick wieder zu heben.
    Sabin sah sie lange an, in den blauen Augen spiegelte sich keine Verachtung, nur Überraschung. Sag was, flehte Amber in Gedanken.
    »Den Stall in Brand gesetzt?«, fragte die Taucherin.
    Amber räusperte sich und zuckte mit den Schultern.
    »Ich war… sehr wütend.«
    Die Taucherin drehte sich auf dem Absatz um und lief wieder den Weg entlang. Aber Amber war sich fast sicher, dass sie für einen Augenblick ein Zucken um Sabins Mundwinkel gesehen hatte.
    »Ich brauche einen Bürgen!«, rutschte es ihr heraus. Geröll sprang den Weg hinunter wie ein Rudel ungeduldiger Hunde, die dem Wasser entgegenstrebten.
    Sabin blieb stehen und drehte sich um. »Ich soll dein Bürge sein? Ist das dein Ernst, Landmädchen? Und was, wenn dir einfällt, ein Lagerhaus niederzureißen, nur weil dich jemand ärgert? Was, wenn…«
    »Ach, hör endlich auf damit, Sabin. Du kennst mich inzwischen doch gut genug! Ich will… ich muss in Dantar bleiben! Ich habe schon Inu gefragt, ob er mein Bürge sein will, aber er wollte nicht.«
    »Du gibst wohl nie auf, Amber. Du bist schlimmer als ein…«
    »Ich weiß, du kannst mich nicht leiden, das habe selbst ich inzwischen begriffen. Aber es ist nur dieser eine Gefallen, mehr will ich gar nicht von dir…«
    Amber verstummte und zog die Brauen zusammen. Das, was sie schon seit dem Erwachen irritierte, war

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