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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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Selbst Amber fiel dazu keine Antwort ein. Tanijen atmete auf.
    Inu warf ihm einen schnellen Blick zu und lächelte ihn flüchtig an. Welchen Grund auch immer sein Freund dafür haben mochte: Inu hatte ihm Zeit geschenkt.
     
    *
     
    Amber wachte von einer Irritation auf – einem flüchtigen Eindruck, vielleicht ein Duft, vielleicht ein Flüstern. Schauer liefen über ihren Rücken, als würde ihr jemand von hinten in den Kragen atmen. Sie machte die Augen auf. Omins und Sebes Gesichter schwebten vor ihr. Und noch ein drittes Gesicht: eine junge Frau mit rotem Haar.
    Lass uns fliehen, sagte sie. Sie werden dich umbringen!
    Omin hob einen roten, spitzen Gegenstand.
    Ambers Schrei schreckte die Vögel auf, das Flattern drang durch die Fensterritzen. Gleich darauf erhob sich der Wind. Glasflaschen zersplitterten, als sie instinktiv zur Axt griff. Rufe wurden laut. Ein Stoß traf sie von der Seite. Dann wehten die Gespenster weg wie Staub im Wind. Sie fand sich in Inus Umklammerung wieder. Sabin, erschrocken und so blass wie ein Naj, kniete auf ihrem Unterarm und hielt ihre Axthand fest. Es tat höllisch weh.
    »Du hast wieder geträumt«, sagte Inu. Ambers Herz schlug so heftig, dass ihre Wangen pochten. Omins Gegenwart war noch da – dicht und beängstigend und bedrohlich wie ein blitzendes Messer.
    »Entschuldigt«, flüsterte sie. Durch die Ritzen der Fensterläden drang schwaches Licht.
    »Ist es schon Morgen?«
    »Allerdings.« Sabin musterte sie mit einer Mischung aus Furcht und Ärger. »Glaubst du, du schaffst es aufzustehen, ohne jemanden umzubringen?«
    Amber entspannte ihre Hände und nickte benommen. Langsam fand sie sich wieder zurecht: Sie hatten gestern das Wasser aus dem Schiff geschöpft. Und heute würden sie zurückkehren. Nach Dantar!
    »Es tut mir leid«, sagte sie und versuchte sich an einem Lächeln. »Ich… habe schlecht geträumt.«
    »Das haben wir alle«, gab Sabin müde zurück. »Du bist nicht die Einzige, die ihren Albträumen begegnet.«
    Die Taucherin wandte den Blick ab und Amber hatte wieder einmal das unangenehme Gefühl, dass der Albtraum, den Sabin meinte, verdächtig nach Amber aussah.
    »Beladen wir das Schiff!«, sagte Sabin und sprang auf.
     
    *
     
    An diesem Morgen war der Himmel steingrau und lastete schwer über dem Meer. Wolken ballten sich am Horizont und Schlieren in der Ferne zeigten, dass es nicht weit von hier regnete. Amber band sich einen Beutel mit Vorräten auf den Rücken, klemmte sich zwei leere Fässer unter die Arme und ging los. Sabin folgte ihr durch das Tor und hielt mühelos Schritt, den Blick auf das Wasser gerichtet. Inu und Tanijen würden nachkommen, doch in diesem Augenblick war Amber froh darüber, mit der Taucherin allein zu sein. Verstohlen betrachtete sie die Gestalt an ihrer Seite. Die Tunika aus Fischhaut glänzte silbern und blau. Niemand passte weniger in diese Umgebung als Sabin. Auf dem steinigen Weg, vor den Felsen, wirkte sie wie ein Naj, der in die feindlichste Umgebung verbannt worden war. Aber offenbar hatte die Taucherin kein kaltes Najblut in den Adern, denn Amber hatte gestern am Strand den Schmerz in ihren Augen gesehen. Der Anblick einer Sabin, die nicht mehr stark und spöttisch war, hatte sie verunsichert. Wie konnte jemand um einen Bruder so sehr trauern? Auch wenn der Grund ihr befremdlich erschien, das Gefühl kannte sie nur zu gut und hätte Sabin gerne getröstet.
    Amber nahm sich ein Herz und sagte die Worte, die sie sich gestern Abend in ihrem Kopf zurechtgelegt hatte:
    »Es tut mir leid um deinen Bruder. Ich wusste nicht, dass er in den Bergen begraben wurde. Was ist… mit ihm passiert? Was hat ein Dantarianer in den Bergen zu tun?«
    Sabin warf ihr einen Blick zu, der so traurig war, dass es Amber die Kehle zuschnürte. Die Taucherin räusperte sich und schwieg eine Weile, und als sie zu sprechen begann, machte Ambers Herz einen Satz. Sie hatte bereits mit der Ablehnung gerechnet, aber heute überraschte die Dantarianerin sie.
    »Hat Inu es dir noch nicht erzählt?«
    »Warum sollte er? Ich habe ihn nicht danach gefragt.«
    Sabin warf ihr einen verwunderten Blick zu und fuhr dann fort.
    »Satu wurde angeworben – im vergangenen Sommer kam eine Gruppe von Bergleuten und heuerte Taucher an. Es war ein gefährlicher Auftrag: in den Seen nach Grall-Kristallen tauchen.«
    Amber riss die Augen auf.
    »In den Schlundlöchern etwa? In der Gegend des Ziegenkopf-Berges?«
    Sabin nickte.
    Amber pfiff leise durch die Zähne. Kaum

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