Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
Sie oder die Aasvögel."
„Welche Aasvögel?"
Phil streckte den Zeigefinger nach oben. „Seitdem wir wieder auf dem Weg sind, verfolgen sie uns."
Ein Vogel kreiste so dicht über ihnen, dass sie sogar die rote Zunge in seinem geöffneten Schnabel erkennen konnten. Die anderen Vögel hielten sich im Hintergrund. Leo zog den Kopf ein und beschleunigte seine Schritte.
Der Weg wurde steiniger. Phil und Leo mussten scharfkantigem Geröll ausweichen und vernachlässigten die Umgebung.
„Irgendwie fühle ich mich beobachtet", raunte Phil Leo zu.
Leo erstarrte mitten in der Bewegung. Phil hielt nach roten Punkten Ausschau, aber außer einem kahlen Baum mit dicken Knospen gab es zwischen den Tannen nichts Auffälliges.
Sie liefen weiter. Als Phil sich noch einmal umblickte, entfuhr ihm ein leiser Schrei. Unzählige wimpernlose Augen glotzten ihn an. Sie gehörten zu dem kahlen Baum, jede geöffnete Knospe offenbarte ein gelbes Auge mit schwarzer Pupille. „Uhhäää, ist das eklig." Leo, der hinter Phil in Deckung gegangen war, schüttelte sich.
Unwillkürlich wurden sie schneller. „Ich bin sicher, dass er uns nachschaut", keuchte Leo.
„Vielleicht hat er ein Auge auf dich geworfen."
Die Frau im Samtkleid
Bald darauf endete der Weg in einem schmalen Tunnel, der durch eine hohe Felsmauer führte. Vorsichtig gingen sie hindurch. An der Innenseite der Felsen wucherten Kletterpflanzen mit blinkenden Kugeln.
„Was ist das denn?" Leo zeigte auf einen Baum, dessen Äste paarweise mit einem quer wachsenden, kurzen Ast verbunden waren. Sie erinnerten an ein großes A. Die Enden waren wie bei einem Alpenhorn leicht gebogen. „Ein A-Horn-Baum? Würde mich nicht wundern, wenn der uns mit einem Blaskonzert empfängt."
Sie standen vor einer etwa fußballfeldgroßen Wiese, die von Felsen umgeben war. Links von ihnen grasten Schafe, auf der rechten Seite ließen vereinzelte Gemüsebeete und Obstbäume vermuten, dass hier jemand wohnte.
Ihnen gegenüber war ein Käfig an den Felsen geschmiedet, auf dessen Boden ein großes Tier kauerte. Daneben sichtete Phil den Eingang einer Höhle. „Da drüben muss es sein."
Leos Blick wanderte hinüber zu den Apfelbäumen. „Bist du auch dafür, dass wir uns durch den Garten anschleichen?"
„Ist wohl am besten, dort können wir uns hinter den Bäumen verstecken." Entgegen seiner Gewohnheit ging Leo voran. Sobald er seinen Fuß auf die Wiese setzte, war er in einem Netz aus Kletterpflanzen gefangen. Dazu erzeugten die kleinen Silberkugeln ein Geräusch, als ob Tausende von Schellen gleichzeitig erklangen.
Verzweifelt riss Phil an dem Netz, aber es zog sich nur noch weiter zusammen. Jetzt fehlte ihm Pauls Messer.
Das Wesen in dem Käfig richtete sich auf. Zuerst hielt Phil es für eine Rieseneidechse, doch dann breitete es die Flügel aus. Das musste ein Drache sein.
Ein Mann kam aus der Höhle gerannt, direkt auf sie zu. Sein Umhang wehte, in der Hand hielt er ein Gewehr.
„Er kommt, was soll ich tun?" Phil war wie gelähmt.
„Such deine Mutter, du kannst mir sowieso nicht helfen. Er wird mich schon nicht umbringen."
Ein Schuss knallte. Leo und Phil sahen sich entsetzt an. „Nun hau schon ab!" Leos Stimme klang schrill. Der Mann hatte bereits die Hälfte des Weges zurückgelegt. Wenn Phil noch länger zögerte, wäre es zu spät.
„Das vergesse ich dir nie", flüsterte er und lief geduckt zum A-HornBaum, der augenblicklich aus allen Hörnern dröhnte, sodass Phils Lunge und Magen zu vibrieren begannen. Er hechtete hinter den Baum und presste die Hände auf die Ohren.
Der Mann hatte inzwischen den Baum erreicht. Es war Horst, Phil erkannte ihn an der Kleidung. „Ruhe", brüllte Horst im Vorbeilaufen, worauf sämtliche Hörner und Schellen verstummten.
Besorgt schaute Phil zu Leo, aber er durfte nicht warten. Dies war die einzige Chance, seine Mutter zu finden.
Ohne sich noch einmal umzudrehen, sprintete Phil direkt zum Höhleneingang.
Der Drachenkopf schoss herum. Mehr nahm Phil nicht wahr, als er an dem Kähg vorbeipreschte. Die Felswände um den Eingang waren dicht mit Kletterpflanzen bewachsen, deren Schellen seine Ankunft lärmend verkündeten. Phil war klar, dass ihm nur wenig Zeit blieb.
Übler Gestank schlug ihm entgegen. Jeder Atemzug kostete große Überwindung. Zunächst konnte er nur ein loderndes Feuer ausmachen. Erst allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er konnte einzelne Gegenstände unterscheiden. In der Nähe des Feuers
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